15.08.2012

Mehr Raum für Entscheidungen

Großprojekte flexibel und kostentransparent planen

Der von Generalunternehmen garantierte Festpreis für Bauleistungen gaukelt Kostensicherheit vor. Doch das Geschäftsmodell der Generalunternehmer, Gewinnspannen zwischen eingekauften Leistungen und Endpreis zu erzielen, verträgt sich nicht mit der Notwendigkeit interdisziplinärer Planung, auch im Planungsverlauf noch auf veränderte Anforderungen zu reagieren. Ein generalplanerisch tätiges Planungsbüro bietet höhere Flexibilität und Effizienz für weniger Geld.

Der Faktor „Zeit“ spielt bei Projekten aufgrund finanzieller oder zielorientierter Entscheidungen eine immer bedeutendere Rolle. Mit dem Zeitdruck nimmt der Druck für den Auftraggeber, Aufträge innerhalb von Stunden oder direkt vor Ort zu erteilen, zu. Damit wächst die Gefahr, unüberlegte oder gar falsche Entscheidungen zu treffen.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Planungs- und Bauzeit von Projekten nahezu halbiert. Projekte wie die Rhein-Neckar-Arena, das neue Stadion im hessischen Sinsheim, innerhalb von zwei Jahren zu planen und zu realisieren, ist zur Normalität geworden. EDV- und CAD-Tools, parallele Planungs- und Bauprozesse, Vorfertigung und Elementierung verkeilen und verdichten die Prozesse. Im Zuge dieser zunehmenden Dynamik können Verzögerungen, Unterbrechungen und Fehlentscheidungen leicht zu gefährlichen Fallen werden.

In dieser Situation hofft so mancher Auftraggeber, Terminund Kostensicherheit bei Generalunternehmern (GU) zu finden, meist ein trügerischer Schluss.

In klassischen Generalunternehmerverfahren werden mit einer funktionalen Leistungsbeschreibung frühzeitig Kosten, Qualitäten und Termine als ein verbindliches Bausoll fixiert. Dieses Vorgehen setzt jedoch den Idealfall einer großen Planungstiefe voraus, die dem wirklichen Kenntnis- und Entscheidungsstand des Bauherrn zu diesem Zeitpunkt der Projektvorlaufzeit noch nicht entsprechen kann. Zudem birgt eine Ausschreibung auf Basis eines Entwurfes ohne baureife Ausführungsplanung große Risiken in sich. Insbesondere im Stadienbau wird daher heutzutage durch Anwendung von Verhandlungsverfahren mit wettbewerblichem Dialog vielfach versucht, diesen Risikofaktor zu minimieren. Längere Abstimmungsphasen des Bausolls sollen die Nachtragsprobleme im Bauprozess reduzieren helfen.

Damit stellt sich das Vorgehen im Fall der Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim als positive Ausnahme in der heutigen Stadionbaupraxis dar: Hier konnten wir den Idealfall baubegleitender Planung mit einer klassischen Entscheidungsmöglichkeit des Bauherrn in jeder Leistungsphase – bis hin zur Fertigstellung – erfolgreich praktizieren. Der Bauherr blieb bis zum Einzug durchgehend aktiver „Herr des Verfahrens“.

Wie man den einschlägigen Fachbüchern entnehmen kann, sind bei einer Entscheidung für diesen Weg in der Planungsphase 80 Prozent und in der Bauphase nur noch 20 Prozent der Objektkosten zu beeinflussen. Weil aber gerade die Dauer der Planungsphase bei einer Generalunternehmervergabe wesentlich reduziert wird, schwinden auch die Möglichkeiten der Einflussnahme erheblich.

Generalunternehmer versus Generalplanermodell

Was ist nun der Unterschied zwischen dem Generalunternehmer und dem Generalplanermodell? Der Glaube an das Generalunternehmermodell basiert auf folgenden Annahmen:

- Generalunternehmer bieten Kostensicherheit

- Generalunternehmer bauen schneller

- Generalunternehmer bauen billiger

Was ist der in der Baupraxis übliche Fall? Der Bauherr beauftragt einen Planer, meist einen Architekten, und lässt sich von ihm einen Vorentwurf mit einer funktionalen Baubeschreibung erstellen. Für dieses Programm fragt er Preise bei den Generalunternehmern ab. Diese offerieren ein Stück Gebäude zum festen Preis und zum festen Termin. Der Generalunternehmer (im Folgenden wird Generalunternehmer mit GU abgekürzt) ist Unternehmer und muss das Projekt wirtschaftlich anbieten, um im Wettbewerb den Zuschlag zu erhalten. Dabei stützt er sich auf die Planung und Leistungsbeschreibung und sucht nach den günstigsten am Markt verfügbaren Materialien. Da die planerische Basis jedoch sehr früh gesetzt wurde, folgen zwangsläufig eine Reihe von Änderungen oder Anpassungen, die Geld und Bauzeit kosten.

Innenraum des Stadions

 

Dass der GU notwendige nachträgliche Änderungen zum Anlass für Aufschläge nimmt, liegt in seinem natürlichen kaufmännischen Interesse: Nur so kann er die schmalen Margen des Wettbewerbs auskömmlicher machen.

Mit Erteilung des Auftrages hat der GU die Entscheidungen in der Hand. In der Regel führt er die Planung mit einem Architekten und Fachplanern als Subunternehmern fort1 und fordert nun die weiteren Entscheidungen beim Bauherrn ab.

Die komplexen Sachverhalte eines Bauobjektes zu verstehen, überfordert oft sogar manchen Baubeteiligten. Deshalb steht außer Zweifel, dass der Bauherr eine umfassende Beratung und ausreichend Zeit benötigt, um Entscheidungen herbeiführen zu können. Eine zu Recht beanspruchte Zeit, denn seine Entscheidungen werden sich nicht nur auf die Bauinvestition, sondern auch auf die künftigen Betriebskosten auswirken!

Generalunternehmer bauen schneller!

Generalunternehmen verfügen in der Regel über ein straffes Management, sie verdienen ihr Geld also vor allem durch beschleunigte Abwicklung. Daher liegt es im ureigensten Interesse des GU, Projekte schnellstmöglich abzuwickeln.

Allerdings vollzieht sich der Planungsprozess beim GU nicht wirklich schneller als beim Generalplaner, eher langsamer, denn der GU vergibt Planungsleistungen an verschiedenste Subunternehmer und muss diese koordinieren und steuern. Der preisgünstige Einkauf vergrößert den Koordinierungsaufwand, so dass echte Zeitersparnisse kaum möglich sind. Da die Planungsleistungen aufeinander aufbauend abgearbeitet werden müssen und nicht interdisziplinär wie bei einem Generalplaner, ist auch hier kein Zeitvorteil zu erreichen. Ebenso wenig führt die Einholung von Subunternehmerangeboten gegenüber einer Ausschreibung zu nennenswerten Zeitvorteilen, da ja auch die GU-Ausschreibung bereits Zeit in Anspruch genommen hat und in die Gesamtplanungsdauer eingerechnet werden muss. Beim Bau selbst trägt das Know-how des GU Früchte, was jedoch im Vergleich zu einem Generalplaner mit guten Projektmanagementqualitäten auch keinen Vorteil bedeuten muss. Vorteilhaft für die Auftraggeber ist die vertraglich verbindliche Fixierung von Fertigstellungsterminen beim GU, da dieser Einfluss auf alle Gewerke hat, was bei einer Einzelvergabe durchaus schwieriger durchzusetzen ist.

Bei öffentlichen Auftraggebern mit Bindung an die Vergabeverordnung wird es für den Planer noch schwieriger, Terminziele durchzusetzen. Dabei ist zu beachten, dass sogenannte Mittelstandserlasse zum Schutz der mittelständischen Firmen die Vergaben an Generalunternehmer verhindern können.

Generalunternehmer bauen billiger!

Der Generalunternehmer kalkuliert nach Marktpreisen, beaufschlagt diese Kosten mit Risiko- und Gewinnzuschlägen sowie einem GU-Zuschlag für seine Management- und Abwicklungskosten. Diese Kosten sind nicht unerheblich und bewegen sich meist im deutlichen zweistelligen Prozentbereich.

Was kann der GU billiger? Er hat Erfahrung mit Abwicklungsmethoden, er kann sich Vorteile durch Fertigungstechnologien verschaffen. Er kann aber letztendlich nichts, was ein Planer nicht auch durch Ausnutzung des Wettbewerbs am Markt abfragen und erzielen kann.

Fassadendetail der Rhein-Neckar-Arena

Entscheidungen bei der Rhein-Neckar-Arena

Als Beispiel für die vorangegangenen Überlegungen soll das von uns geplante und realisierte Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim dienen. Der Planerwettbewerb war entschieden, die Planungs- und Bauphase stand an.

Ein Stadion ist ein Bauwerk, dessen Komplexität weit über die üblicher Bauaufgaben hinausgeht, entsprechend groß ist die Zahl der herbeizuführenden Entscheidungen. An der Bewältigung dieser Aufgabe waren rund 35 Ingenieurdisziplinen beteiligt und zu jedem Thema waren dem Bauherrn entscheidungsreife Vorlagen zu unterbreiten, damit er terminliche, betriebliche, funktionale und kostenbezogene Entscheidungen überblicken konnte.

Der Planungsprozess basiert auf Grundsatzüberlegungen und wird über die Leistungsphasen schrittweise bis ins Detail der „letzten Schraube“ vertieft. Dann erst sollte eine Ausschreibung und Abfrage der Leistungen am Markt erfolgen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass auch mittelständische Unternehmer mit einer schlanken Kostenstruktur in den Wettbewerb einbezogen werden können. Die detaillierte Planung ermöglicht eine präzise Ausschreibung, vermindert Risiken und Unwägbarkeiten. Für die Ausschreibung wählten wir den spätestmöglichen Zeitpunkt, wodurch der Bauherr einen größtmöglichen Zeitraum für Entscheidungen erhält.

Betrachtet man ferner, dass die Qualität und Durchdachtheit eines Gebäudes auf guter Planung beruht, die der GU „einkauft“, wird deutlich, dass das Ergebnis eines Projektes maßgeblich von der Wahl des richtigen Planers durch den Bauherrn abhängt. Die Wahl des Unternehmers kann dann nur noch korrektiven Charakter haben.

„Wolkendach“ der Rhein-Neckar-Arena

Ein Projekt zu Ende denken

Viele Entscheidungen lassen sich in ihrer Auswirkung und Konsequenz erst erkennen, wenn die Planung bis ins Detail durchdacht ist. Etwaige Änderungen haben dann Einfluss auf eine Vielzahl anderer Gewerke. Beispielhaft seien hier die für die Rhein-Neckar-Arena wesentlichen Themen wie Sicht, Beschallung, Fluchtwege, Brandschutz und Konstruktion genannt, die Grundvoraussetzungen für Qualität und Sicherheit eines Stadions sind.

Bei einer optimalen Kurven- und Steigungsgeometrie der Tribünen gewinnt die Frage von Sichtbehinderungen durch Sturzbügel, Geländer, Stützen oder Brüstungen eine große Bedeutung – mit dem Ergebnis, dass die Planer gehalten sind, alles so schlank und transparent wie möglich zu gestalten. Dabei werden die gültigen Normen immer wieder ausgereizt, was eine große Zahl von Zulassungen im Einzelfall erfordert. Diese Verfahren mit Gutachten und Simulationen erfordern Zeit und Aufwand, und sie haben Auswirkungen auf die Ausführung, Konstruktion, Details und andere Gewerke.

Die Beschallung ist ein weiteres sensibles Thema, bedeutend für die Hörqualität der Zuschauer, aber auch elementar wichtig für den möglichen Evakuierungsfall. Akustische und elektroakustische Anlagen kann man aber erst dann konkret planen und wirkungsvoll auslegen, wenn die verwendeten Materialien, Größe und Steigungswinkel der Tribünen und andere Faktoren eindeutig bestimmt sind; erst dann ist der Zeitpunkt, um anhand aufwändiger Simulationen die akustischen Anlagen auszulegen. Die verbindliche Akustikplanung kann also erst in der Phase der Ausführungs- und Detailplanung beginnen; in Sinsheim startete sie sogar erst während der ersten Erdarbeiten.

Um Sichtbeeinträchtigungen zu vermeiden, wird für Stadien ein weitgehend stützenfreier Innenraum angestrebt, für ihre statische Berechnung bedeutet das eine besondere Herausforderung. Vor allem die von den Stadionbesuchern ausgelösten so genannten „menschenerregten Schwingungen“ und der Winddruck auf die Konstruktion werden zu bedeutenden Faktoren für die Standsicherheit eines Stadions. Das erfordert zwangsläufig eine Reihe von Gutachten, Nachweisen und Simulationen und zieht zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Gewerken nach sich.

Ein ähnlich kritisches und kostenträchtiges Thema ist die Flutlichtanlage: Ihre optimale Auslegung ist von der Höhe, der Stärke und der Anzahl der Leuchten sowie der Art ihrer Anbringung abhängig.

Auch diese Planung kann erst an eine abgeschlossene Planung des Stadionraumes anknüpfen und hat ebenfalls Änderungswirkungen auf andere Gewerke.

Anhand dieser wenigen Beispiele sei aufgezeigt, welche Abhängigkeiten und Entscheidungen in Planungsphasen bis weit nach dem Entwurf – dem üblichen Zeitpunkt einer GU-Vergabe – hineinreichen und den Bauherren mit Entscheidungen fordern.

Die Entscheidung für einen Generalplaner

Hauptmerkmal des Generalplaners ist sein interdisziplinärer Arbeitsansatz: Von Beginn an arbeiten alle Ingenieurdisziplinen parallel am Projekt, der Projektleiter des Generalplaners bildet die Schnittstelle zu den Entscheidungsträgern des Bauherrn und Nutzers. Diese Interdisziplinarität lässt bei einem echten Generalplaner mit eingespieltem Team große Synergien in Bezug auf Termine, Qualitäten und Ergebnisse zu. Kurze Wege, stetige Zusammenarbeit, gemeinsame Erfahrungen und tiefe Einblicke in die angrenzenden Disziplinen ermöglichen eine hohe Planungsgeschwindigkeit und große Bearbeitungstiefen.

Als Treuhänder des Bauherrn wird der Auftragnehmer der Generalplanerleistung immer am Gesamterfolg des Projektes gemessen. Ein Problem am Projekt ist immer ein Problem des Generalplaners, es gibt keine Verschuldensfrage!

Da sich an den Planungskosten ein großer Einfluss auf die gesamten Projektkosten festmacht, sie aber insgesamt nur einen geringen Anteil der Gesamtkosten ausmachen, sollten sie bei der Wahl des Planers nur eine untergeordnete Rolle spielen. Maßgeblicher bei der Entscheidung für oder gegen einen Planer sollten seine Referenzen und die Qualität seiner Projekte sein. Letztlich fallen auch beim GU Planungskosten in mindestens gleicher Höhe an, sie sind jedoch in den Baukosten versteckt.

Besondere Vorteile für den Bauherrn machen sich bei Beauftragung eines Generalplaners an den Faktoren Zeit und Flexibilität fest: Im Gegensatz zum GU, bei dem die Planungsphase früh abgeschlossen ist, kann der Generalplaner lange und flexibel in der Planung reagieren, ohne dadurch weitere Kosten zu provozieren.

Je vielschichtiger und schwieriger ein Projekt ist, desto größer müssen die Entscheidungsspielräume des Bauherrn bleiben. Planungstiefe und echter Wettbewerb der Planungsanbieter sind nur durch eine qualifizierte und ausgereifte Planung zu erreichen. Das bedeutet: Je komplexer ein Projekt, desto mehr spricht für seine Umsetzung durch einen Generalplaner. Als Beispiel eines in fast katastrophaler Weise aus dem Ruder gelaufenen großen GU-Projektes zeigt der Bau der Hamburger Elbphilharmonie, in welchen Größenordnungen durch eine GU-Vergabe Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen eintreten können, wenn Ausgangspunkt eines derart komplexen Projekts eine zu geringe interdisziplinäre Planungstiefe war.

In keinster Weise soll an dieser Stelle der betreffende GU pauschal als Verursacher abgestempelt werden. Viele Projekte können das Gegenteil, die qualitätvolle und erfolgreiche Arbeit von GU belegen, jedoch war in diesen Fällen im Gegensatz zur Elbphilharmonie schon eine Planungstiefe erreicht, die aufgrund der Bauherrenentscheidungen eine eindeutige, unzweifelhafte Bausollformulierung zuließ. Wenn dieser Punkt erreicht ist, sind auch die Projektrisiken definierbar und beherrschbar.

1Nur selten beschäftigen Generalunternehmer eigene Architekten und Ingenieure.

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