10.07.2019

Urban Mining Student Award 2018/2019 - Ergebnisse

Am 26. April 2019 wurden im Hause agn in Ibbenbüren die Preise für den diesjährigen Urban Mining Student Award verliehen. Der Award zeichnet Konzepte, Ideen und Strategien zur Förderung einer konsequenten Kreislaufwirtschaft aus. Insgesamt 34 Teams von acht deutschen Hochschulen nahmen an dem bundesweiten, im Juli 2018 ausgelobten Studentenwettbewerb teil.

Aufgabe

In diesem Jahr waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgerufen, ein Tagungs- und Lernzentrum für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz am Theodorschacht in Ibbenbüren zu entwerfen. Der Theodorschacht befindet sich im südwestlichen Bereich des Bergwerks am Rande einer Wohnsiedlung auf einer Anhöhe mit Blick in die vornehmlich landwirtschaftlich genutzte Umgebung.

Das Gebäudeensemble hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Ältester Bestand heute ist das Fördermaschinengebäude, ein Ziegelbau von 1903; dazu gesellen sich eine Schachthalle und zwei Lüfterbauwerke, wovon das letzte 1970 entstand. Das Bergwerk war Ende 2018 als eine der beiden letzten Steinkohlezechen Deutschlands geschlossen worden. Aufgabe war es, den Ort mit seiner historischen Bedeutung strukturell zu stärken und durch eine zukunftsweisende Nutzung zu bereichern. Dabei kam der architektonischen Konzeption zum Dialog „Historie – unterirdisch“ und „Zukunft – mit Weit- und Ausblick“ große Bedeutung zu. Als Außenstandort der RAG-Stiftung und in räumlicher Nähe zur Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück, sollte das neue Zentrum Raum für Seminare, außerschulische Bildung, Workshops, Firmenevents und Veranstaltungen rund um das Thema Ressourcen bieten. Ein Gästehaus, das den Besuchern allen Komfort für mehrtägige Aufenthalte bietet, musste integriert werden. Die Aufgabenstellung gab vor, die Gebäudesubstanz zu ergänzen und zum Teil zu ersetzen. Die Sanierungen und Erweiterungen sollten „gute Aussichten“ für das Bauen im postfossilen Zeitalter widerspiegeln. Gefragt waren Konzepte zur sinnvollen, ressourcenschonenden Weiternutzung und Wiederverwendung der bestehenden Bausubstanz.

Bei der Preisverleihung wurden vier Preise und fünf Anerkennungen vergeben. Der erste Preis wurde mit 2.000 € prämiert und ging an Torben Ewaldt & Sofie Fettig vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der zweite, mit 1.000 € prämierte Preis wurde an Jan Martin Müller von der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) verliehen. Über zwei dritte Preise mit 500 € Preisgeld freuten sich Lisa-Maria Behringer & Ruth Mathilda Meigen (KIT) sowie Jasmin Amann & Marieteres Medynska (KIT).

Mitglieder des Preisgerichts waren Bernhard Busch (agn Niederberghaus & Partner, Ibbenbüren), Sabine Djahanschah (Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück), Karin Lang (Detail Verlag | München), Anja Rosen (energum, Ibbenbüren). Technisch und fachlich beratend standen ihnen zur Seite: Prof. Dirk E. Hebel (KIT) und Prof. Annette Hillebrandt (BUW).

1. Preis

Sofie Fettig und Torben Ewaldt

„Hoch hinaus“ – mit diesem Ansatz schaffen die Verfasser einen starken Dialog zwischen der Historie Untertage und der zukünftigen Nutzung mit Weit- und Ausblick. Als oberstes Geschoss wird auf den nördlichen Lüfterturm ein „Neubau“ aufgesetzt, dessen Stahlelemente von der Zeche Ibbenbüren stammen und weiter genutzt werden. Der neu positionierte Förderturm aus der nahe gelegenen Schachtanlage von Oeynhausen dient der Erschließung und betont mit der markanten Tragstruktur den Charakter der Industriekultur. Das Fördermaschinenhaus wird in seinem ursprünglichen morbiden Charme erhalten. Um es räumlich zu gliedern, wird die Krananlage aus dem Außenbereich in den Innenraum versetzt und - mit einer Glashülle thermisch getrennt - als Bistro- und Frühstücksbereich genutzt. Die Sensibilität im Umgang mit dem Bestand zeigt sich in Details wie dem subtilen Umgang mit dem Fliesenmuster. Das architektonische Potenzial des Ortes, der Ausblick über das Terrain, wird erkannt und auf sensible Weise ausgeschöpft. Die Arbeit zeichnet sich durch einen stark ausformulierten Urban Mining Gedanken aus.

2. Preis

Jan Martin Müller

Der Entwurf „Glück Aufgeständert“ lässt den Boden weitgehend unberührt und reduziert damit den Flächenverbrauch auf ein Minimum. Über der Lüfteranlage wird ein aufgeständertes Stahlbauwerk errichtet, dessen Elemente aus dem Bergwerk gewonnen werden. Durch die Betonung der Längsachse und die Materialwahl fügt sich das neue Gästehaus wie selbstverständlich in die Umgebung und den Bestand ein. Die markante Erscheinung der Lüftertürme bleibt dank sensibler Integration in den Neubau erhalten. Die Anordnung des Gästehauses lässt Räume mit hoher Aufenthaltsqualität und reizvollem Ausblick entstehen. Das Maschinenhaus wird thermisch von innen ertüchtigt und als Seminarhaus weitergenutzt, während das unkonditionierte Lüftergebäude die Ausstellung beherbergt. Die Jury lobte die zurückhaltende Erscheinung und die Herausarbeitung des Industriecharakters. Der Urban Mining Gedanke wurde sowohl beim Materialeinsatz als auch mit Blick auf die Rückbau- und Recyclingfähigkeit am Nutzungsende sehr gut ausformuliert.

3. Preis

Ruth Mathilda Meigen und Lisa-Maria Behringer

Den Bildungsauftrag sehr ernst nehmend, nutzen die Verfasserinnen das Potenzial der vorhandenen Bildungsstätten im Umfeld des Theodorschachtes. Es werden sehr unterschiedliche, jedoch qualitativ hochwertige und interessante Räume zum Austauschen, Experimentieren und zur Wissensvermittlung bereit gestellt. Kreiselkipper, die im Bergwerk zur Entladung der vollen Kohlewagons dienten, erhalten eine neue Funktion als Schlafräume und symbolisieren den anstehenden Umbruch des „Gedanken-Kippens“, wobei die sichtbaren Spuren des Bergbaus (Rost, Kratzer) Teil des Entwurfs werden. Der Zusammenhang zwischen Energieerzeugung und -verbrauch wird erleb- und sichtbar: Beim Aufstieg in den „Skulpturm“ erzeugt jeder Stufentritt Strom und bringt das Innere zum Leuchten. Der Entwurf „Brainstation“ ist in der Detaillierung sehr umfangreich und liefert ein Feuerwerk an Ideen zum Urban Mining.

3. Preis

Marieteres Medynska und Jasmin Amann

Die „Grüne Mine“ macht das Spannungsverhältnis zwischen Untertage und Übertage sichtbar, indem die Verfasser eine zweite Raumschicht aus dem Bestand heraus wachsen lassen. Hierzu werden an funktional notwendigen Stellen die bestehenden Decken abgenommen und der darunter liegende Raum nach oben abgebildet. Die Bekleidung aus wiederverwendeten bergbautypisch-grünen Trapezblechen schafft eine mental nahe Verbindung zum Kontext und erhält den besonderen Industriecharme für das zukünftige Tagungszentrum. Blickbeziehungen und Lichteinschnitte schaffen hochqualitative, atmosphärische Innenräume und generieren einen kontrastreichen Bezug zwischen Oben und Unten. Die Funktionen Übertage dienen der Erholung, während sich der Besucher in der Ausstellung unter Tage auf die Thematik Bergbau einlassen kann. Die Arbeit überzeugt durch die Verbindung des Neuen mit dem Bestand auf psychologischer Ebene, z.B. durch Farbe und Licht, und ist mental nah am Ort.

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