08.03.2019

Realitätscheck BIM - Kollaboration

BIM ist eine Methode und keine Software. Ein Leitsatz, der in unzähligen Artikeln beschrieben und noch häufiger wiederholt wurde. Ja, alles richtig möchte man zustimmen, aber was steckt tatsächlich hinter der Methode und wie kann das Potential für die eigenen Projekte nutzbar gemacht werden?

Interessante Fragen, denen sich agn gestellt hat. Dabei stach vor allem ein Anwendungsfall hervor, der scheinbar selbstverständlich erscheint: die Kollaboration.

Auf dem Silbertablett

Die große Chance, die die Methode BIM im Projekt – quasi von sich aus mitliefert – ist die Kollaboration. Oder anders ausgedrückt: BIM ist Kollaboration! Kollaboration passiert aber nicht automatisch, nur weil die Methode sie hergibt. Im Gegenteil: man muss sie sich hart erarbeiten, profitiert dann aber von den Vorzügen einer einfachen und effizienten Projektbearbeitung.

Was aber ist Kollaboration? Eine einfache Definition des Begriffs könnte lauten: Zwei oder mehr Menschen (TEAM) arbeiten gemeinsam (PROZESS) an vereinbarten Zielen (ZWECK). Das scheint auf den ersten Blick nicht schwierig zu sein, jedoch müssen technische und organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Bereiche TEAM, PROZESS und ZWECK so ineinander greifen, dass Kollaboration auch tatsächlich im Projekt stattfinden kann. Bei agn stand der Wunsch im Vordergrund, die Zusammenarbeit zu vereinfachen, Abstimmungen zwischen den beteiligten Fachplanenden effizienter durchzuführen und die Bauherr:innen aktiv in den Planungsprozess mit einbinden zu können.

"Die große Chance, die die Methode BIM im Projekt – quasi von sich aus mitliefert – ist die Kollaboration. Oder anders ausgedrückt: BIM ist Kollaboration!"

Gemeinsames Arbeiten

Als echter Generalplaner hat agn den großen Vorteil, dass alle Fachplanungen im Hause vereint und die Wege zwischen den Kolleg:innen der einzelnen Fachabteilungen kurz sind. Um diesem Aspekt auch softwaretechnisch gerecht zu werden, hat sich agn bei der Modellierung der digitalen Gebäudemodelle fachübergreifend für die Autorensoftware Autodesk Revit entschieden. Innerhalb dieser Softwareumgebung können die jeweiligen Fachmodelle der einzelnen Disziplinen untereinander referenziert werden und stehen bei Bedarf auf Knopfdruck in der aktualisierten Version zur Verfügung.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Entscheidung für diese Softwareumgebung war daher die Tatsache, dass die einzelnen Softwareprodukte für die jeweilige Fachdisziplin verfügbar sind: So werden bei agn heute sowohl die Objekt-, HLS-, ELT- als auch die Tragwerksplanung als jeweils eigenständiges Fachmodell mit Revit modelliert. Um eine reibungslose Zusammenarbeit der Fachdisziplinen sicherzustellen, werden vor Modellierungsbeginn alle relevanten Einstellungen über Templates geladen, so dass zum Beispiel definierte Ansichten in allen Fachdisziplinen gleich sind.

Durch diese Arbeitsweise ist es möglich, das fachübergreifende, gemeinsame Arbeiten an einem konkreten Teilbereich des Modells zu realisieren, ohne die Integrität der jeweiligen Fachmodelle zu gefährden. Nach Abschluss eines Leistungsstandes werden die jeweiligen Fachmodelle über die IFC-Schnittstelle exportiert und stehen für den Austausch mit weiteren Projektbeteiligten zur Verfügung. So können openBIM-Projekte realisiert werden, ohne jedoch auf die Vorteile von closedBIM für die eigenen Planungsprozesse verzichten zu müssen.

Durch diese Arbeitsweise ist es möglich, das fachübergreifende, gemeinsame Arbeiten an einem konkreten Teilbereich des Modells zu realisieren, ohne die Integrität der jeweiligen Fachmodelle zu gefährden. Nach Abschluss eines Leistungsstandes werden die jeweiligen Fachmodelle über die IFC-Schnittstelle exportiert und stehen für den Austausch mit weiteren Projektbeteiligten zur Verfügung. So können openBIM-Projekte realisiert werden, ohne jedoch auf die Vorteile von closedBIM für die eigenen Planungsprozesse verzichten zu müssen.

Informationsfluss gewährleisten

Die Modellierungsumgebung unterstützt also die kollaborative Arbeitsweise. Doch das ist nur der erste Schritt. Bei der Umsetzung kam sehr schnell die Erkenntnis hinzu, dass neben der Modellierung eine zusätzliche Ebene für den einheitlichen Informationsfluss geschaffen werden muss: Informationen, die beispielsweise während der Projektbearbeitung zwischen den Fachdisziplinen ausgetauscht werden, müssen vereinheitlicht und so bereitgestellt werden, dass auch weitere Projektbeteiligte von diesen Kenntnis erhalten und einfach darauf zugreifen können.

agn nutzt für diese Zwecke das Produkt BIMcollab. Über das offene BCF-Format werden einzelne Issues – das heisst offene Punkte oder To-dos – erzeugt, adressiert und in der Cloud abgelegt. Diese Issues haben eine direkte Verknüpfung mit dem im Kontext relevanten Ausschnitt des Gebäudemodells. Der Adressat öffnet über ein Plugin in seiner Modellierungsumgebung den für ihn relevanten Issue und gelangt direkt in den betreffenden Bereich seines Gebäudemodells. Die relevanten Bauteile werden freigestellt und können so unmittelbar in der Arbeitsumgebung bearbeitet werden.

Damit der Informationsfluss, also die Frage, für wen welche Information in welchem Kontext relevant ist, gesteuert werden kann, sind jedem offenen Punkt Meta-Informationen, wie zum Beispiel Bauabschnitt, Fachdisziplin und Phase zugeordnet. Über diese Zuweisungen können Adressaten sehr schnell und einfach die für sie relevanten Informationen filtern und bearbeiten. Die Zugriffsrechte werden über ein differenziertes Rollenkonzept gesteuert und im Hause agn administriert. Durch den Einsatz der Kollaborationssoftware hat agn nicht nur ein starkes Werkzeug, um die Vielzahl von Informationen strukturell zu vereinheitlichen und zu kanalisieren, vielmehr lassen sich über das Werkzeug auch Aussagen treffen, wie der aktuelle Stand in der Bearbeitung der zum Projekt zugehörigen Issues ist: zum Beispiel kann sich die Projektleitung im Vorfeld zu einer Planungsbesprechung informieren, wie viele offene Punkte insgesamt noch abzuarbeiten sind oder welche To-dos im Projekt bereits behoben wurden und welche noch offen sind.

"Mit der Nutzung der Software wird aber auch die Arbeit an den Projekten besser dokumentiert. Getroffene Entscheidungen lassen sich im Nachhinein schneller und einfacher rekonstruieren.“

Frühzeitige Transparenz im Planungsprozess auch für Bauherr und Projektsteuerer durch Verwendung des Tools BIMcollab ZOOM führt zum besseren Verständnis der relevanten Planungsthemen

Einbindung von Bauherren und Projektsteuerern

Der eigentliche Mehrwert in der Nutzung der Kollaborationswerkzeuge hat sich in einem zweiten Schritt herausgestellt: Nachdem die ersten technischen Schwierigkeiten behoben waren, wurden nach und nach in den Projekten auch Bauherren und Projektsteuerer in die Prozesse der Kollaboration mit eingebunden. Über separate Rechte in der Rollenvergabe sind nun auch diese Projektbeteiligten in der Lage, eigene Issues zu erstellen, bzw. auf relevante Issues in ihrem Projekt zuzugreifen. agn nutzt dies vor allem in Projekten, in denen mit den Bauherren vereinbart wurde, modellbasierte Projektbesprechungen durchzuführen. Für diese Termine werden im Vorfeld die zu besprechenden Themen im Sinne einer Agenda als einzelne To dos vorbereitet. Sowohl Bauherr/Projektsteuerer als auch agn-Projektleiter nutzen dafür eine Erweiterung der Kollaborationssoftware, die in der Lage ist, auch Gebäudemodelle im IFC-Format als Basis für die Erstellung neuer, beziehungsweise das Bearbeiten vorhandener Issues zu nutzen. BIMcollab ZOOM arbeitet hier wie ein normaler IFC-Viewer, bei dem zusätzlich die vorhandenen offenen Punkte aus der Cloud angezeigt, bearbeitet und auch neue Issues erstellt werden können. Projektbeteiligte können also auch ohne Modellierungssoftware durch Gebäudemodelle streifen, Kommentare erzeugen und diese gezielt an andere adressieren.

Gleichzeitig dienen die vorbereiteten Issues in der Besprechung als Dokumentationsgrundlage für das zu erstellende Protokoll, in dem der Projektleiter während des Meetings die Ergebnisse zu den einzelnen Punkten direkt in der Kollaborationssoftware erfasst und diese den zuständigen Bearbeitern zuweist. Das klassische Protokoll wird dadurch nicht obsolet, jedoch erleichtert die Live-Dokumentation der Ergebnisse die weitere Bearbeitung.

Durch diese Lösung hat agn einen Weg gefunden, auch Projektbeteiligte ohne Modellierungskenntnisse in die Lage zu versetzen, auf Grundlage des aktuellen Bearbeitungsstandes der Gebäudemodelle, die Kollaborationsmethode aktiv zu nutzen. Die dadurch entstandene Transparenz in der Planungsphase, sowie die unmittelbare Einbeziehung des Bauherren und des Projektsteuerers in den Planungsprozess, führten innerhalb kürzester Zeit zu einer hohen Akzeptanz der Methode und zu einem besseren Verständnis der relevanten Planungsthemen.

Theorie und Praxis

Soweit die Theorie. Die Umsetzung in der Praxis wurde anhand eines Pilotprojektes durchgeführt. agn entschied sich dafür, die neue Methode zunächst nur für die interne Kollaboration einzusetzen. So konnten die Projektbeteiligten erste Erfahrungen sammeln und den Umgang mit dem neuen Werkzeug üben. Technisch hat alles einwandfrei funktioniert, jedoch wurde schnell klar, dass die neu entstandene Transparenz auch zu Irritationen bei einigen Mitarbeitenden führte: plötzlich konnten alle sehen, dass es vermeintliche Fehler im Modell gab. Damit einhergehend stand auch die Befürchtung im Raum, die eigene Leistung könne kontrolliert werden.

Es ist es völlig normal, dass bei der Einführung neuer Methoden auch Verunsicherung entsteht. Entscheidend dabei ist, dass diese Phase aktiv gestaltet wird und eine offene Diskussion darüber geführt wird, warum diese Art von Transparenz im Projekt gewünscht ist und welche Grenzen es bei der Nutzung der Kollaboration gibt. Außerdem muss sich auch die Wahrnehmung dahingehend verändern, dass die aufgedeckten Fehler absolut positiv zu bewerten sind: Je früher Fehler im Modell aufgedeckt werden, desto eher kann man ihnen auf den Grund gehen.

"Durch diese Lösung hat agn einen Weg gefunden, auch Projektbeteiligte ohne Modellierungskenntnisse in die Lage zu versetzen, auf Grundlage des aktuellen Bearbeitungsstandes der Gebäudemodelle, die Kollaborationsmethode aktiv zu nutzen.“

Zwischenzeitlich nutzt agn die neue Methode standardmäßig in allen BIM-Projekten. Auch die Einbindung von externen Planungsbeteiligten, Bauherren und Projektsteuerern wird regelmäßig in den Projekten umgesetzt. Die Kollaboration wurde inzwischen von den Projektbeteiligten als echter Mehrwert erkannt. Dieses Fallbeispiel macht eines deutlich: BIM ist mehr als nur eine Methode. BIM ist eine Frage der Kultur!

Ansprechpartner

Bernhard Machnik

BIM-Manager

M.Eng., Dipl.-Ing.(FH), PMP
BIM-Manager

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