20.07.2017

Realitätscheck BIM

Private wie öffentliche Bauherrn und Investor:innen sind mit zunehmend komplexen Bauvorhaben unter starkem Termin- und Kostendruck konfrontiert. Der Ruf nach strukturierteren Methoden der Planung und deren Dokumentation wird immer lauter. Diese Zielsetzung rückt durch die Anwendung der Methode des Building Information Modeling (BIM) jetzt in greifbare Nähe.

BIM ist keine Software, sondern eine Methode

Bernhard Bergjan
Geschäftsführender Gesellschafter agn-Gruppe

Um einem immer wieder auftauchenden Missverständnis an dieser Stelle jedoch direkt vorzubeugen: BIM ist keine Software, sondern eine Methode. Dieser geregelte
Gesamtprozess zeichnet sich im Wesentlichen durch die konsequente Kombination von zwei bereits bekannten Arbeitsmethoden aus – einerseits die Planung aller Gewerke in 3D und ergänzend die Entwicklung, Zusammenführung und Pflege aller Daten an zentraler Stelle.

Vorteile und Grenzen der Methode BIM

BIM verbessert die Dokumentation und hilft bei der Kommunikation. Bereits frühe Zwischenstände der Planung, wie zum Beispiel ein über alle Gewerke abgeschlossener und im BIM-Modell vereinigter Vorentwurf, eignen sich für eine umfassende Vorstellung des Gesamtwerkes erheblich besser, als das bisher bekannte Sammelsurium aus Einzelplänen und Excel-Listen.

 

Das Gesamtpaket wird über die weiteren Planungsphasen Schritt für Schritt verfeinert, der Detailreichtum steigt immer weiter. Innerhalb der Planungsphasen wird die Kommunikation zwischen den Planungsbeteiligten durch den BIM-Prozess erheblich verbessert. Architekt:in und Techniker:in warten nicht aufeinander, sondern entwickeln Lösungen nahezu synchron. Die Aktivitäten des Einzelnen werden durch das gemeinsame Arbeiten am Modell transparenter, Irrwege schneller erkannt. Softwareaufsätze können Kontrollfunktionen übernehmen und helfen, die vielen kleinen Problemchen, die das Planungsgeschäft mit sich bringt und weiter mit sich bringen wird, systematisch abzuarbeiten.

Komplexe Projekte benötigen den inhaltlich geprägten Kontakt auch zu nur temporär involvierten Sonderfachleuten sowie natürlich zur Bauherrschaft und Nutzenden. Hier, dies zeigt bereits die noch kurze Erfahrung, ist das Gesamtmodell mit seinen Darstellungsmöglichkeiten eine deutliche Hilfe, um Verständnis zu beschleunigen und um Missverständnissen möglichst vorzubeugen.

„Der Mensch steuert, die Maschine erledigt die Fleißarbeit“

Im BIM-Prozess lassen sich Kollisionsprüfungen in weiten Teilen bereits automatisieren. Routinen durchstreifen das Modell und weisen das Planungsteam auf Probleme hin. Von besonders großer Bedeutung für alle Beteiligten ist die automatisierte Massen- und Kostenermittlung (5D). Insbesondere bei großen Bauvorhaben ist die korrekte und vollständige Bestimmung der Massen noch einer der größten Unsicherheitsfaktoren. BIM entnimmt die automatisiert aus dem Modell abgeleiteten Massen und kombiniert sie mit Einzelpreisen. Die BIM-Methode ermöglicht damit auch die Gegenüberstellung von Varianten – womit jedoch nicht der Eindruck erweckt werden soll, dass die Maschine dies komplett eigenständig erledigen kann. Der Mensch steuert, die Maschine erledigt die zeitraubende Fleißarbeit.

Das Endprodukt der BIM-Planung stellt im Idealfall den virtuellen Zwilling des Gebauten dar und kann für dessen Betrieb erheblich besser genutzt werden, als all das, was die Planerwelt bisher als Abschluss ihrer Arbeit übergeben konnte. Der Betrieb bekommt eine zusammenhängende Datenquelle und selbst der zukünftige Rückbau wird sich damit qualifiziert planen lassen. Alles zu schön, um wahr zu sein? Grundsätzlich nein! Nach dieser Antwort kann nur ein „aber“ folgen, welches an dieser Stelle die gelebte Realität kurz beleuchten soll.

Ja, wir sind auf gutem Wege, aber die Ansprüche wachsen jetzt schneller, als fundierte und nutzerorientierte Erfahrungen entstehen können. In der digitalen Welt sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: Jede Auswertung ist möglich, man benötigt heute nur noch die richtige App – es droht daher ein Verständnisproblem!

BIM in der Planung

Es heißt, Deutschland wäre beim BIM-Prozess „weit hinterher“. Unsere Nachbarn – Großbritannien, die Niederländer und der skandinavische Raum – wären viel erfahrener. Dies ist insofern richtig, als dass wir uns viel zu lange nicht an BIM herangetraut haben. Die Tiefe des in Deutschland jetzt verfolgten BIM-Prozesses, nämlich die komplette Konstruktion eines komplexen Gebäudes über alle Gewerke im Modell ist neu. Bauen funktioniert in großen Teilen des Auslandes anders. Eine gute Idee muss geboren werden, der:die Architekt:in entwickelt ein Konzept. Danach setzen große Unternehmen weite Teile des Gebäudes um. Die sofortige Integration technisch komplexer Anlagen oder auch die direkte Umsetzung eines anspruchsvollen energetischen Konzeptes ist dabei häufig nicht Aufgabe des Erstellers, sondern wird im Zuge des nachgelagerten Ausbaues abgewickelt. Es ist hier wie da der Rohbau und alle Gewerke des Bauhauptgewerbes, die die größten Fortschritte zum Thema BIM gemacht haben und die wahrscheinlich auch die größten Vorteile aus dem Prozess generieren können.

Revit 3D-Modell

Es ist sicher im Sinne des „BIM-Erfinders“ und auch nur konsequent, aber auch typisch deutsch, dass wir jetzt das komplette Projekt im BIM Prozess sofort erfassen wollen. Doch so bauen wir und so wollen wir planen.

Die Planerwelt in Deutschland war lange Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung geprägt von städtebaulich orientierten Architekturwettbewerben. Heute prägen dagegen leider die gescheiterten Großprojekte das Bild der Baubranche in der Öffentlichkeit. Während Wettbewerbe sinnvollerweise auch weiterhin auf der Basis von 3D-Visualisierungen entschieden werden, bietet BIM bei der Planung und Abwicklung komplexer Großprojekte eine deutliche Hilfe für ein systematisches Vorgehen und nachhaltige Transparenz.

Was bestimmt das viel zitierte „komplexe Projekt“? Eine gestalterisch wie energetisch sehr anspruchsvolle Gebäudehülle und ein sehr hoher Technisierungsgrad. Die Technik wird in weiten Teilen als notwendiges Übel verstanden, ist aber die einzige Möglichkeit, den Anspruch an energetischen Standard, Behaglichkeit und Sicherheit überhaupt zu realisieren – hier mag nur der Brandschutz als einer der wesentlichen Faktoren genannt sein. An diesem Punkt, also bei der gleichberechtigten Planung aller Gewerke in einem Gebäude, muss angesetzt werden. Hier hilft BIM, indem es das Zusammenspiel der Komponenten visualisiert und die gegenseitigen Einflüsse durch ihre Art und Auslegung datentechnisch vereint. Wie bereits ausgeführt, lohnt sich der Einsatz hier besonders, aber noch fehlen weltweit genügend belastbare Erfahrungen.

Die Digitalisierung hat die Welt der Planer längst erreicht.


BIM ist darauf angelegt, alle relevanten Gebäudedaten zu sammeln, zu aktualisieren, nach und nach zu vertiefen und miteinander in Bezug zu setzen. Gerade der Aspekt der „Vertiefung“ – also die Frage, welche Daten in welcher Qualität hinterlegt werden, geht mit interessanten Perspektiven einher. Mit fortschreitenden technischen Möglichkeiten wie zum Beispiel der „Kartierung“ von Räumlichkeiten werden sich völlig neue Dimensionen der Betrachtung und Dokumentation von Bauvorhaben ergeben. Was heute im Rahmen von Marketingaktivitäten als Visualisierung präsentiert wird, werden in Zukunft virtuell begehbare Räume sein – inklusive diverser Einrichtungs oder Nutzungsoptionen. Gestartet wird dieser Bereich aktuell durch das sehr schnelle 3D-Laserscanning von bestehenden Gebäuden. Mit fahrbaren Geräten werden die Gebäude begangen, visualisiert und dabei aus der Bewegung heraus vermessen. Besonders reizvoll ist die automatisierte Erstellung eines 3D-Bestandsmodells auf Basis der aufgenommen Daten. An dieser Stelle ist es in aller Deutlichkeit abzulesen: Die Digitalisierung hat die Welt der Planer:innen längst erreicht.

BIM in der Ausführung

Doch wie sieht es auf der Seite der Ausführenden aus? Die BIM-Strategie fordert hier zur Erreichung der Ziele durchgängige und abgeschlossene Methoden. Die beim Planenden gestarteten Prozesse, also die gesamtumfassende 3D-Konstruktion in der Kombination mit einem zusammenhängenden Datenmanagement, muss bei den ausführenden Firmen lückenlos fortgesetzt werden – genau dies kann die Baubranche für ein komplexes Projekt bis zum heutigen Tage jedoch nur mit Einschränkungen liefern.

Auch die ausführenden Unternehmen haben die BIM-Strategie bei den Hauptgewerken als sehr gute Hilfe angenommen und treiben dies aktiv voran. Die Fortschritte bei etlichen Ausbaugewerken sind dagegen leider gering bis mangelhaft. Von den rund 25 Einzelgewerken am Bau – dabei spielt es absolut keine Rolle, ob man über ein Projekt mit einem Generalunternehmer (GU) oder Einzelvergaben spricht – werden die Projekte zum Großteil nicht im BIM-Sinne weiter verfolgt. Die Daten werden nicht weiter angereichert, Montage- und Werkplanungen des ausführenden Unternehmens werden nicht in das Modell integriert. Aber es geht voran, denn das Verlangen nach umfassenden BIM Projekten steigt. Der Markt ruft – häufig die einzige Motivation, um die Entwicklung voran zu treiben.

3D-Laserscanning am Berliner Flughafen Tegel (TXL)

Durch die zwingende Vorgabe, die BIM-Prozesse zu nutzen, wird die öffentliche Hand zur treibenden Kraft – eine gute Entwicklung! Die öffentliche Hand wird jetzt allerdings auch dafür sorgen müssen, dass sie nicht nur fordert, sondern die eigenen Randbedingungen schnell genug anpasst. Das öffentliche Vergaberecht kennt keine zwingende Vorgabe einer Bearbeitungsmethode, dies kann schnell zu Konflikten führen. Die HOAI bildet die Schrittfolge der BIM-Bearbeitung in den Leistungsphasen ungenügend ab, denn im Vergleich zur konventionellen Bearbeitung steigt der Aufwand während der frühen Leistungsphasen im BIM-Prozess klar an. In den späten Leistungsphasen sinkt er dagegen tendenziell. Die VOB definiert die Zuarbeit der ausführenden Unternehmen und beantwortet damit viele Fragen in der Zusammenarbeit. Durch die Integration des BIM-Prozesses bis in die Abwicklung entstehen Ansprüche an die ausführenden Unternehmen, die die VOB nicht kennt und damit zumindest formal eher blockiert.

"Die öffentliche Hand wird jetzt allerdings auch dafür sorgen müssen, dass sie die eigenen Randbedingungen schnell genug anpasst."

 

Wenn wir es auch wieder alles sehr genau nehmen – wir sind mit der integrierten Planung des BIM Prozesses in Deutschland auf dem richtigen Weg. Wir müssen uns aber jetzt genügend Zeit nehmen, die vielen alten Prozesse zu optimieren und unserer digitalisierten Welt anpassen – BIM kann das nicht alleine!

Datenpunktwolke als Ergebnis des 3D-Laserscannings, Tegel TXL

3D-Gebäudemodell,Tegel TXL

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