15.08.2012

Optimierte Abläufe, kürzeste Einsatzzeiten

Überlegungen zur Planung von Feuerwachen

Moderne Feuerwachen sind multifunktionale Strukturen mit optimierten Abläufen, sie sind eigene autarke Organismen. Sie funktionieren wie eine Stadt im Kleinen – mit Bereichen zum Arbeiten, zum Wohnen und für die Freizeit während des Bereitschaftsdienstes der Feuerwehrleute.

Die Wachen der Berufsfeuerwehr sind 24 Stunden in Betrieb, je nach etabliertem Schichtsystem befinden sich immer diensthabende Kameraden auf der Feuerwache. Anders als in normalen Arbeitsstätten wird hier nicht nur der Dienst geleistet, sondern in den Feuerwehren wird gewohnt, sich erholt und Freizeitbeschäftigungen nachgegangen.

Neben einer hohen Aufenthaltsqualität für die Ruhe- und Aufenthaltsbereiche kommt vor allem dem Prinzip der „kurzen Wege“ bei der Planung einer Feuerwache große Bedeutung zu: Die Dauer der Einsatzzeiten, also die Dauer vom Zeitpunkt der Alarmierung bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte am Einsatzort, ist per Gesetz vorgegeben und liegt in der Regel bei acht Minuten. Dementsprechend kurz, sicher und effektiv müssen die Wege der Bediensteten im Gebäude bis zum Einsatzfahrzeug gestaltet werden. Die bekannten Feuerwehr-„Rutschstangen“ bilden dabei nach wie vor eine bewährte und sichere Alternative zur Treppe.

Da die Feuerwehrbediensteten neben ihrem Einsatzdienst auch Tätigkeiten in Werkstätten, Lagern und Büros nachgehen, gilt die Anforderung kurzer, optimierter Abläufe für das gesamte Feuerwehrgebäude bzw. Feuerwehrgelände. Die kurzen Einsatzzeiten bedingen somit effiziente Grundrisse und optimierte Gebäudeentwürfe. Daraus folgen für den Entwurfsprozess eine Vielzahl von Abstimmungen zur Grundrissentwicklung und technischen Ausstattung mit dem Nutzer, denn die spezifischen Aufgaben verlangen nach unterschiedlichen Lösungen.

Gewandeltes Aufgabenspektrum

Die Aufgaben der Feuerwehren haben sich in den zurückliegenden Jahrzehnten grundlegend gewandelt: Neben der Brandbekämpfung sind viele neue Aufgaben wie die Rettung und Bergung bei Unfällen, der Katastrophenschutz, der vorbeugende Brandschutz und die Gefahrenabwehr hinzugekommen. Unsere moderne Gesellschaft beansprucht inzwischen ein hohes Sicherheitsniveau. Die Erfüllung dieser vielfältigen Aufgaben und die Sicherstellung der kurzen Einsatzzeiten erfordert vor allem in den städtischen Ballungszentren neue Standorte, die gut in das Verkehrsnetz eingebunden sind. Hinzu kommt, dass viele der bestehenden Feuerwehrgebäude der geschilderten Vielzahl moderner Feuerwehraufgaben nicht mehr gewachsen sind. Zeitgemäße Feuerwachen müssen heute eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionsbereiche aufweisen:

-Fahrzeughallen für die wertvolle Einsatztechnik in verschiedenen Stellplatzgrößen

- Werkstätten zur Wartung und Reparatur der Einsatztechnik und Ausrüstung wie Kfz-Technik, Atemschutzausrüstung, Pumpenprüfung, Schlauchwäsche und -pflege, Informtions- und Kommunikationstechnik (IuK-Technik), Feuerlöscher, Kettensägen, Taucherausrüstung etc.

- Lagerbereiche für Einsatztechnik, Katastrophenschutz, Bekleidung und Ausrüstung

- Büro- und Diensträume für Organisations- und Verwaltungsfunktionen

- Desinfektionsbereiche für Fahrzeuge und Bedienstete

- Ruheräume, Aufenthalts- und Rekreationsbereiche, Verpflegungsbereiche mit Küchen

- Sport- und Fitnessräume zur körperlichen Ertüchtigung

- Ausbildungs- und Übungsanlagen (zum Beispiel Hitzeund Atemschutzübungsanlagen, Freiflächen und Übungshöfe, Übungstürme zur Höhenrettung)

- Einsatzleitzentralen zur Koordination der Einsätze oft im Verbund mit dem Rettungsdienst

- Führungs- und Lagezentrum und Besprechungsräume zur Koordination der Einsätze im Katastrophenschutz beziehungsweise bei Großschadenslagen

- Technikzentralen für redundante Energieversorgung (Netzersatzanlagen, unterbrechungsfreie Stromversorgung, Klimatisierung und Lüftung)

- Rechenzentren für die Einsatzleittechnik sowie IuKTechnik

Terrasse der Cafeteria und Fahrzeughalle der Feuerwache Potsdam

 

Synergetische und ganzheitliche Herangehensweise

Moderne Feuerwachen sind also Gebäude mit hohem technischen Anspruch hinsichtlich der unterschiedlichen Anlagengruppen als auch der Versorgungssicherheit im Katastrophenfall, denn Feuerwachen müssen auch funktionsfähig bleiben, wenn die allgemeinen technischen Versorgungssystemen zusammenbrechen sollten.

Die Generalplanung beantwortet alle diese Fragestellungen und Aufgaben in synergetischer und ganzheitlicher Herangehensweise. Als Beispiel sei das Zusammenspiel von Gebäudetechnik und Einsatzleittechnik genannt. Über diese Leittechnik werden die eingehenden Notrufe angenommen und bearbeitet, die Einsatzpersonen alarmiert, die Rettungsmaßnahmen koordiniert und letztlich durchgeführt. Damit das schnell und reibungslos abläuft, müssen gebäudetechnische Funktionen wie Videoanlagen, Beleuchtung sowie Tür- und Torsteuerung im Alarmfall sicher und mit hoher Präzision gesteuert werden.

-Grundriss der Feuerwache Potsdam
-Feuerwehrhof der Feuerwache Potsdam

 

Potsdam: Effiziente Funktionen in prägnanter Lage

Der Neubau der Hauptfeuerwache und Rettungswache in Potsdam veranschaulicht beispielhaft die vielfältigen Aufgaben zur Planung von modernen Feuerwachen: Das Grundstück liegt an einer städtebaulichen Nahtstelle zwischen Potsdam und dem Stadtteil Babelsberg mit guter Verkehrslage und Anbindung zur Humboldtbrücke, die direkt am Grundstück die Havel überspannt. Dieser Lage – unmittelbar an der seeartig verbreiterten Havel – verdankt das Feuerwehrgebäude seine herausragende städtebauliche Bedeutung sowie die Voraussetzung zur zusätzlichen Ansiedlung der Wasserrettung auf dem Grundstück.

Auf dem Gelände eines ehemaligen, ungenutzten Straßenbahndepots setzt die Feuerwache städtebauliche Akzente und trägt damit zur Revitalisierung des umgebenden Quartiers bei. Die circa 13.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche umfassende Baumasse wird als Blockrandbebauung in zwei funktional eigenständige Bauteile aufgeteilt: Das Hauptgebäude (Bauteil 1) nimmt die fast 100 Meter lange Fahrzeughalle mit 36 Stellplätzen als Doppelhalle im Erdgeschoss auf. Die darüber befindlichen Ruheräume sind um begrünte Innenhöfe mit Blick zur Havel angeordnet und weisen damit eine hohe Aufenthaltsqualität auf. Sie sind über mehrere Rutschstangen mit der Fahrzeughalle verbunden. Der Aufenthaltsbereich mit Küche und Speiseraum wird durch eine Terrasse an der Havelseite ergänzt. Dieser hochwertige Außenraum trägt der notwendigen Rekreation der Feuerwehrleute im anstrengenden 24-Stunden-Dienst in besonderer Weise Rechnung. Schon im Wettbewerbsentwurf war eine hohe Aufenthaltsqualität Kernbestandteil des Konzeptes und hatte wesentlich zur Entscheidung für den agn-Entwurf beigetragen. Weiterhin gibt es eine Sporthalle sowie einen Fitnessraum für die körperliche Ertüchtigung. Bürofunktionen der Gefahrenabwehr und Gefahrenvorbeugung sowie der inneren Verwaltung sind im zweiten und dritten Obergeschoss angeordnet. Als „Herz“ des Gebäudes fungiert die neue Regionalleitstelle mit 10 Einsatzleitplätzen. Von hier aus werden alle Einsätze der Feuerwehr und des Rettungsdienstes in Potsdam und in drei benachbarten Landkreisen (Havelland, Prignitz und Prignitz-Ruppin) koordiniert.

Das zweigeschossige Bauteil 2 ist ein kompaktes Werkstattgebäude und nimmt alle Werkstatt- und Lagerfunktionen des Komplexes auf. Hier sind Kfz-Werkstatt und Waschhalle, Desinfektion, eine eigene Tankstelle, die Schlauchwäsche und -pflege mit einem 25 Meter hohen Schlauchtrockenturm, der gleichzeitig als Übungsturm genutzt wird, sowie eine Atemschutzwerkstatt und eine Atemschutzübungsstrecke untergebracht. Im Bauteil 3 sind die Boote der Wasserrettung stationiert.

Im Entwurfsprozess waren intensive Abstimmungen mit den Verantwortlichen aufseiten der Stadt und der Feuerwehr notwendig, um ein optimiertes und nachhaltiges Gebäude- und Technikkonzept zu entwickeln und gleichzeitig die strengen Kostenvorgaben einzuhalten. Und auch die Vorgaben der Stiftung „Preußischer Schlösser und Gärten“ mussten berücksichtigt werden: Die Sichtachse vom Babelsberger Park zur Nikolaikirche sollte durch das Feuerwehrgebäude und seinen Schlauchturm nicht beeinträchtigt werden.

-Fahrzeughalle und Ruheräume der Feuerwache 1 Dortmund
-Das Verwaltungsgebäude der Feuerwache 1 in Dortmund an der Steinstraße
-Die Bauabschnitte der Feuerwache 1 in Dortmund – Erweiterung und Umbau fanden bei laufendem Betrieb statt

 

Dortmund: Neubau bei laufendem Betrieb

Die Herausforderung bei der Erneuerung der Feuerwache 1 in Dortmund bestand darin, dass die am Standort bestehenden Feuerwehrgebäude aus den 1960er Jahren teilweise weiter genutzt werden sollten, zeitgleich war bei laufendem Betrieb ein Neubau zu errichten.

Dazu entwickelten wir schon im Wettbewerbsentwurf ein dezidiertes Bauphasenmanagement. In Einzelschritten wurden Teile der bestehenden Gebäude abgebrochen, um Platz für den ersten Neubauabschnitt zu schaffen. Ein Löschzug sowie die Einsatzleitzentrale blieben vorerst bestehen und erfüllten dabei ihre Dienstaufgaben trotz Baubetrieb weiter.

Gleichzeitig entstand eine neue Fahrzeughalle mit 24 Stellplätzen, Lager- und Umkleidebereichen und 48 Ruhe- und Aufenthaltsräumen, die über diverse Rutschschächte mit der darunter liegenden Fahrzeughalle verbunden sind. Außerdem wurde eine neue Einsatzleitzentrale mit zwölf Einsatzleitplätzen, zehn ANA-Plätzen und einem Führungsstabsraum errichtet. Mehrere gesicherte IuK-Technikräume befinden sich direkt unterhalb der Leitstelle. Ein 25 Meter hoher Funk- und Antennenmast nimmt die für eine Leitstelle unerlässliche Kommunikationstechnik auf.

Nach einem notwendigen, mehrwöchigen Probe- und Schulungsbetrieb wurden in einer sorgfältig vorbereiteten Aktion alle Not- und Rettungsrufnummern von der alten auf die neue Leitstelle übertragen. In einem weiteren Schritt wurden dann die noch bestehenden Altbauteile abgebrochen und der 2. Bauabschnitt mit der Errichtung des viergeschossigen Büro- und Verwaltungsgebäudes durchgeführt. Nach dreijähriger Bauzeit war die neue Feuerwache Mitte 2012 komplett fertiggestellt. Das gesetzte Ziel war am bewährten Standort erreicht worden: Eine städtebauliche Verdichtung durch einen effizienten Neubau bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft.

Der Feuerwehrkomplex weist hohe Energiestandards auf. Entsprechend der Dortmunder Energierichtlinien unterschreiten die Gebäude die EnEV-Vorgaben um 40 bzw. 60 Prozent und entsprechen somit dem KfW-40-Standard. Zur Energieeffizienz trägt eine redundante Wärmepumpenanlage mit Erdsondenfeld zur Kälte- und Wärmeversorgung bei. Neben seinen funktionalen Qualitäten erfüllt der Gebäudekomplex städtebauliche Aufgaben: So wird mit dem neuen Verwaltungsgebäude an der Steinstraße der Blockrand wieder gefasst und macht damit die Feuerwache mit ihrem öffentlichkeitswirksamen Eingangsbereich zu einem belebenden Baustein im innerstädtischen Kontext.

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