10.08.2021

Lernort Stadt

An der Gesamtschule Münster Mitte ist schon lange kein Baulärm mehr zu hören. Die Realisierung erfolgte in zwei Bauabschnitten bei laufendem Schulbetrieb. 2018 wurde das Gebäude fristgerecht an den Nutzer übergeben. Wir sprechen mit Schulleiterin Kathi Kösters über ihren Blick auf das Gebäude und seinen Entstehungsprozess.

Frau Kösters, die Gesamtschule Münster-Mitte war die erste städtische Schule in Münster, die das mehrgliedrige Schulsystem zusammenführte. Wie wichtig war es Ihnen, dieser neuen Schulform auch baulich Rechnung zu tragen?

KK: Vor dem Hintergrund des Einflusses der Raumgestaltung auf das pädagogische Konzept, war es uns besonders wichtig, sowohl beim Umbau als auch beim Neubau unsere pädagogischen Ideen sichtbar zu machen. Wir haben bereits bei der Mitwirkung an den Ausschreibungsunterlagen deutlich gemacht, dass Umbau und Neubau unsere besonderen Bedarfe berücksichtigen müssen.

Konkret: Was waren für Sie als Nutzer die wichtigsten Projektziele?

KK: Uns war es besonders wichtig, Räume für selbstgesteuertes Lernen zu eröffnen – sowohl pädagogisch als auch baulich. Daher sollten neben funktionellen Klassenräumen auch Lerninseln entstehen, in denen die Schüler:innen eigenverantwortlich arbeiten können.

Welche Bedeutung haben die denkmalgeschützten Bestandsgebäude Überwasserschule und Paul-Gerhardt-Realschule, aber auch der Schulhof, für die Schule?

KK: In den beiden Bestandsgebäuden konnte unsere Idee von „Schulhäusern“ umgesetzt werden. Das ehemalige Paul-Gerhardt-Realschulgebäude wurde so umgebaut, dass die Jahrgänge 5 – 7 jeweils mit einem Jahrgang pro Etage dort ihre Heimat finden. Das Überwassergebäude bietet pro Etage jeweils einem der Jahrgänge 8 – 10 einen hervorragenden Lernort. Damit konnten wir unsere insgesamt große Schule in „familiäre“ Einheiten gliedern, in denen sich die jeweiligen Bedarfe der unterschiedlichen Stufen gut umsetzen lassen.

Wie wirkt sich die Spiegelung der historischen Bezüge heute auf das Schulleben aus?

KK: Insbesondere unsere älteren Schüler:innen haben den Umbau, die Ausgrabungen und die Entdeckung historischer Mauern „live“ erlebt und empfinden daher z.B. die Nachbildung der gefundenen Mauern auf dem Schulhof als gute Erinnerung. Da wir außerdem gemeinsam mit Schüler:innen Stolpersteine der Familie Neuhaus auf dem Schulhof verlegt haben und die Jahrgänge 8 und 9 Patenschaften für diese (und andere) Stolpersteine übernommen haben, haben sie ein besonderes Verhältnis zur Geschichte des Schulstandortes und der Stadt. Ich glaube, dass auch dies, zusammen mit dem Umstand, dass unsere Schüler:innen hier viel mitbestimmen können, zu der hohen Identifikation geführt hat, die Schüler.innen heute mit unserer Schule und sicher auch der Stadt zeigen.

Der Schulhof der Gesamtschule Münster Mitte ist als Öffentlicher Raum angelegt – was ist bei Ihnen anders als an anderen Schulen?

KK: Uns ist es gelungen, trotz des begrenzten Raumes einer Innenstadtschule alle Bereiche, also die Gebäude und die Schulhöfe, als einladende Lern-, Arbeits- und Aufenthaltsräume zu gestalten. Die Offenheit, mit der wir allen am Schulleben Beteiligten begegnen, zeigt sich in der Architektur unseres Schulcampus und führt dazu, dass sich alle eingeladen und willkommen fühlen. Die Tatsache, dass wir mitten in der Stadt liegen, eröffnet darüber hinaus aber auch wunderbare Möglichkeiten, wie z.B. die niedrigschwellige Möglichkeit, die Museen, das Theater oder den botanischen Garten zu nutzen.

Die Schule liegt inmitten der Münsteraner Altstadt und die Baustellenzufahrt war entsprechend herausfordernd. Wie verlief die Bauphase?

KK: Natürlich gab es herausfordernde Phasen mit laufendem Schulbetrieb und Umbau im Gebäude. Während in einer Etage Wände herausgerissen wurden, mussten die Klassen in eine andere Etage umgesiedelt werden. Sicher hat auch manchmal Baulärm den Unterricht ergänzt oder die Spielfläche auf dem Schulhof Grenzen erfahren. Aber wir konnten zu allen Zeiten unseren Unterrichtsbetrieb gut aufrechterhalten und wurden letztendlich mit einem wunderbaren Ergebnis belohnt, das all unsere pädagogischen Überlegungen berücksichtigt und unser pädagogisches Konzept vollständig unterstützt.

Wie haben Sie den Planungs- und Bauprozess wahrgenommen?

KK: Wir haben uns als Schule immer sehr unterstützt und eingebunden gefühlt. Sowohl der Schulträger als auch das Architektenteam haben unsere Wünsche und Bedürfnisse immer ernst genommen und Möglichkeiten geschaffen, diese zu realisieren oder zu berücksichtigen. Schon beim Architektenwettbewerb waren wir dabei und während der gesamten Bauphase haben wir an unzähligen Bausitzungen teilgenommen – mehr und besser geht es auch rückblickend nicht!
 

Die Schule befindet sich in einem Prozess des Hineinwachsens in das Schulgebäude. Verändert sich mit der Zeit auch der Blick auf das Gebäude?

KK: Wir sind seit dem vergangenen Schuljahr erstmals voll ausgebaut. Das heißt, alle Jahrgänge von 5 bis Q2 lernen nun gemeinsam und alle Räume werden intensiv genutzt. Da bei zeigt sich nun nicht nur die Nachhaltigkeit des zugrundeliegenden Umbaukonzeptes, sondern wir erleben auch täglich, wie sinnvoll es war, den Gesamtcampus in die drei „Schulhäuser“ mit ihrer unterschiedlichen Geschichte zu unterteilen. Drei sehr unterschiedliche Gebäude mit all ihren Stärken bieten einen barrierefreien Lernort für eine sehr heterogene Schülerschaft mit all ihren Stärken und Bedürfnissen!

Bewährungsprobe Corona: Wie ist es um die Flexibilität des Gebäudes bestellt, bewährt es sich auch zu Krisenzeiten?

KK: In der aktuellen Krisensituation hilft die Dreiteilung der Gebäude und Schulhöfe natürlich dabei, Gruppen voneinander zu trennen und Kontakte zu reduzieren. Zu „normalen“ Zeiten stehen den Schüler:innen selbstverständlich alle Höfe offen, weil Offenheit und die Öffnung von Schule für uns ein wichtiger Punkt ist. Momentan jedoch erleichtert uns die Architektur der Höfe die Zuteilung von Pausenbereichen für unterschiedliche Jahrgangstufen. Die „familiäre“ Aufteilung von Jahrgangstufen auf Etagen ermöglicht es zudem, die räumliche Trennung von Jahrgangsgruppen umzusetzen.

Ähnliche Projekte und Magazinthemen