15.08.2012

Langfristige Wirtschaftlichkeit als Planungsziel

Nutzen der Generalplanung für das Lebenszyklusmanagement von Immobilien

Nachhaltige Errichtung und Betrieb von Gebäuden haben als Ziel in den letzten Jahren zunehmend die Aufmerksamkeit von Bauherren und Investoren gewonnen. Nicht alleine die „günstige“ Errichtung von Gebäuden mit einer guten Architektur und hoher Funktionalität wird gefordert, vielmehr werden Gebäude erwartet, die auch langfristig wirtschaftlich sind.

Ausdruck findet dies unter anderem in den Kriteriensteckbriefen „Lebenszykluskosten“, die im Zuge der Nachhaltigkeitszertifizierung als Nachweis erstellt werden müssen. Bei einer Gesamtanzahl von circa 60 Steckbriefen beträgt die Gewichtung der Lebenszykluskosten circa 13 Prozent, was zeigt, dass diesem Punkt auch in der Methodik der Systeme eine überproportional große Bedeutung beigemessen wird.

Wie kann also das Nachhaltigkeitskriterium Lebenszykluskosten und das zugehörige Lebenszyklusmanagement bestmöglich erfüllt werden? Welchen Beitrag kann hierzu die Generalplanung leisten?

Bei der Beantwortung dieser Frage muss abhängig von der Art des Objektes entschieden werden: Die Sanierung von Bestandsgebäuden erfordert andere Ansätze als die Planung und Errichtung eines Neubaus. Die erwähnten Kriteriensteckbriefe gehen in stark vereinfachter Struktur nur auf die Anforderungen für Neubauten ein und haben zum Teil einen zu niedrigen Detaillierungsgrad. Das Berücksichtigen der Steckbriefanforderungen führt also nicht automatisch zu einem wirtschaftlich optimierten Gebäude.

In unserem Forschungsprojekt EVAgreen analysierten wir, ob zertifizierte Gebäude aus Sicht der Lebenszykluskosten gegenüber herkömmlichen Gebäuden ohne Zertifizierung tatsächlich kostengünstiger und energetisch optimiert sind. Obwohl die Ergebnisse bei Drucklegung dieses Buchs noch nicht abschließend vorliegen, zeichnet sich ab, dass die nachhaltigen Gebäude zum Teil nur gleichauf mit „normalen“ Gebäuden liegen beziehungsweise teilweise sogar schlechter abschneiden als diese.

Für den Neubau muss daher ein Weg gefunden werden, die Lebenszykluskosten zu senken und gleichzeitig eine hohe Gebäudequalität sicherzustellen. Bei der Überlegung, welches dafür der ideale Einstiegszeitpunkt ist, gelangt man schnell zu dem Ergebnis, die notwendigen Anforderungen in sehr frühe Projektphasen zu integrieren – die Wettbewerbsphase bietet sich hierfür idealerweise an.

In den letzten beiden Jahren haben wir im Zuge der Vorprüfung für viele Architektur- und Generalplanerwettbewerbe die Lebenszykluskosten der eingereichten Wettbewerbsarbeiten berechnet. Zur Reduzierung der Lebenszykluskosten eines Entwurfs ist ein generalplanerischer Ansatz unerlässlich. Circa 90 Prozent der Wettbewerbsbeiträge ist anzusehen, dass dieser Ansatz nicht verfolgt wurde und keine Generalplanung stattfand. Das erkennt man unter anderem daran, dass die beteiligten Fachplaner mit ihren Lösungen auf die vom Architekten entworfenen Gebäudeflächen und die Gebäudehülle reagieren. Die Folge sind oftmals aufwendige technische Systeme, mit denen versucht wird, die Nachhaltigkeitsanforderungen mit einem Sammelsurium von Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung zu erfüllen.

Vielfach wird zudem die Verteilung der Lebenszykluskosten falsch eingeschätzt und es wird stark in Richtung einer Senkung der Energiekosten argumentiert. Fakt ist jedoch, dass bei einer Planung des Gebäudes nach EnEV die Energiekosten max. 5 bis 8 Prozent der Lebenszykluskosten ausmachen, bei Passivhäusern beträgt der Anteil nur noch 3 bis 6 Prozent. Somit ist die Optimierung der Energiekosten eine Standardanforderung in Bauvorhaben geworden und der Fokus muss auf die anderen Kostenarten gelegt werden.

Aufgrund des Trends zur Errichtung von Plus-, Passiv- oder Niedrigenergiehäusern ist eine ausgeprägte Technisierung der Gebäude festzustellen. Aus Sicht der Lebenszykluskosten verursacht die installierte Technik langfristig Instandhaltungs- und Sanierungskosten. Alleine die spezifischen Instandhaltungskosten machen bei heute geplanten Gebäuden das Doppelte der Energiekosten aus. Moderne technische Systeme haben zudem oft eine kurze technische Nutzungsdauer, die Folge sind Sanierungskosten im 40-jährigen Betrachtungszeitraum der Lebenszykluskosten.

Die Lösungen zur Optimierung der Lebenszykluskosten kann eine Generalplanung aus einer Hand ideal umsetzen: Im integrativen Zusammenwirken der Architekten und Fachplaner kann gemeinsam eine ideale Kombination aus passiven Maßnahmen, notwendiger Gebäudetechnik und niedrigen Lebenszykluskosten gefunden werden. Die alte, leider noch immer verbreitete Vorgehensweise, Planungsteams über ein VOF-Verfahren für Architekten zusammenzustellen und anschließend eines für die Fachplaner durchzuführen, wird dem Generalplanungsansatz nur in den seltensten Fällen gerecht.

Eine frühe Integration der Lebenszykluskostenberechnung und eine Vorgabe von Zielwerten für das Planungsteam, beispielsweise Lebenszykluskosten 50a < 5200 €/Quadratmeter BGF, vervollständigen die Vorgehensweise. Die Zielwerte sind von den Generalplanern und später auch von den Bauausführenden zwingend einzuhalten.

Bei der Sanierung von Bestandsgebäuden ist ebenfalls die Generalplanung zu empfehlen. Viele Gebäudeeigentümer stehen vor der Frage, ob sie ihr Gebäude nochmals mittels einer Sanierung ertüchtigen sollen oder ob ein Neubau die wirtschaftlichere Variante ist. Noch etwas komplizierter wird es, wenn mehrere Gebäude gleichzeitig (zum Beispiel die Schulstandorte einer Kommune) betrachtet werden müssen. Die Lebenszykluskostenbetrachtung liefert hierzu die passende Antwort.

Als Eingangsgrößen einer solchen Variantenberechnung der Lebenszykluskosten müssen verschiedene Daten zur Verfügung stehen:

  • Errichtungskosten Neubau
  • Nutzungskosten Neubau
  • Wert der Bestandsgebäude
  • Sanierungskosten Bestandsgebäude
  • Nutzungskosten Bestandsgebäude
  • Kapitalkosten/Finanzierungsmodelle
  • Langfristige Sanierungskosten
  • Transaktionskosten

 

Diese Eingangsdaten stellen nur einen Auszug der wichtigsten Basisdaten dar und lassen sich nur durch einen gesamtplanerischen Ansatz ermitteln. In diversen Projekten hat sich gezeigt, dass es wenig zielführend ist, wenn diese Daten von verschiedenen Planungsteams zusammengestellt werden, denn dadurch treten Widersprüche auf, die Daten sind unvollständig oder fehlerhaft.

Ein Generalplaner kann diese Aufgabe deutlich besser erfüllen. Durch die Betrachtung der Planungsvarianten aus einer Hand werden alle kostenwirksamen baulichen und technischen Maßnahmen einheitlich und ohne Datenlücken zusammengestellt. Die Lebenszykluskostenberechnung kann an diese Daten anknüpfen und dem Gebäudeeigentümer eine eindeutige wirtschaftliche Empfehlung geben.

Durch das Zusammenwirken von Generalplanertätigkeit und Lebenszykluskostenberechnung können Szenarien schnell geplant und in ihren Kosten berechnet werden.

Als Fazit stelle ich fest, dass die Generalplanung aus Sicht der Lebenszykluskostenanalyse einen echten Mehrwert liefert. Mehr noch – ohne gute Generalplanung ist eine langfristige Kostenoptimierung und fundierte Wirtschaftlichkeitsberechnung kaum umsetzbar. Das bloße Ausfüllen von Nachhaltigkeitssteckbriefen ist hier keine ernsthafte Alternative.

Bauherren und Gebäudeeigentümer sind daher gut beraten, wenn sie für ihre Planungsaufgaben ein erfahrenes Generalplanungsbüro einsetzen. Für die nächsten Jahre sind weitere strategische Entwicklungen zu erwarten, die durch die Generalplanung sehr gut unterstützt werden.

Ähnliche Projekte und Magazinthemen