11.05.2020

Frauenpower: Eva Bleckmann im Interview

Eva Bleckmann, agn-Geschäftsführerin am Standort Münster sitzt in ihrem Eckbüro und telefoniert: mit Mitarbeitenden, Kund:innen und einem der weiteren geschäftsführenden Partner. Dabei ändert sich ihr Tonfall überhaupt nicht. Immer spricht sie ruhig, hört zu, erklärt sachlich die Faktenlage und schließt das Gespräch mit einem Lächeln. In der nächsten Sekunde ist sie wieder aufnahmebereit.

Was hat Sie angetrieben, direkt nach dem Studium ein Architekturbüro zu gründen?

EB: Meinen späteren Geschäftspartner Andreas Krys lernte ich im Studium kennen. Er war auf der Suche nach einem Modellbauer für eine Wettbewerbsteilnahme. Wir stellten fest, dass wir uns fachlich gut ergänzten. Aus einer „Schnapslaune“ heraus entschlossen wir uns 1999 dazu, Räumlichkeiten anzumieten und ein bisschen freiberuflich zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch eine Stelle in einem kleinen Büro, die ich dann im Zuge unseres ersten richtigen Bauprojekts kündigte.

War das nicht ein bisschen naiv?

EB: Allerdings! Wir haben das Büro damals einfach gegründet und Aufträge angenommen, ohne groß nachzudenken. Leider kam in den folgenden Jahren die Baubranche in die Krise und wir mussten sehen, dass wir über die Runden kamen. Zeitweilig haben unsere Mitarbeiter mehr verdient als wir, aber letztlich ist alles gut gelaufen und wir haben viele Erfolge feiern können.

Hat die Männerbranche Sie nicht eingeschüchtert?

EB: Nein. Ich bin aber auch immer ernst genommen worden, sowohl in den Büros als auch auf den Baustellen. Meine ersten Erfahrungen habe ich während eines Praktikums bei einer großen Bauunternehmung gesammelt. Die haben dort schnell gemerkt, dass ich wirklich Interesse an der Sache hatte und das war dann ok. Ich war mir allerdings auch nicht zu schade, Brötchen für das Frühstück zu besorgen oder nachzufragen, wenn ich etwas nicht wusste.

Ist Ihnen das wichtig - ein offenes und ehrliches Miteinander zu pflegen?

EB: Auch wenn ich inzwischen eine andere Position bekleide - das halte ich immer noch so. Als Architekt muss man nicht alles wissen, sondern alle an einen Tisch bringen, sich alles anhören und auf dieser Basis entscheiden. Es ist nicht mein Ding, große Reden zu schwingen, obwohl ich weiß, dass mein Gegenüber in der Sache mehr Fachkenntnis hat. Meiner Erfahrung nach kommt man mit Ehrlichkeit oft viel weiter.

Seit 2017 ist das von Ihnen und Andreas Krys gegründete Planungsbüro Teil der agn-Gruppe. Gab es Hindernisse zu überwinden?

EB: Ja sicher (schmunzelt). Um Veränderung zu ermöglichen, müssen Hindernisse, aber auch Ängste überwunden werden. Das ist ein komplexes Unterfangen. Die Überführung in die agn-Gruppe war eine kritische Phase für uns. Es musste intern wie extern viel überlegt, besprochen und erklärt werden. Doch es hat sich gelohnt: von unseren Mitarbeiter hat keiner gekündigt. Auch unsere „Stammkundschaft“ ist uns treu geblieben.

Erstaunlich! Wie haben Sie die Eingliederungsprozess so reibungslos gestalten können?

EB: Glücklicherweise konnten wir in der Geschäftsführung am Standort Münster auf das Know-How und die Erfahrungen von Andreas Polzer zurückgreifen. Als geschäftsführender Gesellschafter der agn-Gruppe mit langjähriger Betriebszugehörigkeit war er von Anfang an der ideale Mentor und Sparringspartner für uns. Wir nannten ihn auch gerne unseren Integrationsminister! Er hat sich immer wieder mit uns und dem gesamten Team hingesetzt, uns die Zusammenhänge erklärt und gute Lösungen gefunden.

Was hat sich dadurch verändert?

EB: In erster Linie haben wir an interdisziplinärer Professionalität gewonnen. Die zusätzliche Expertise, beispielsweise im Projektmanagement und -controlling, hat uns viel Effizienz gebracht, gleichzeitig konnten wir in den für uns wichtigen Bereichen Eigenständigkeit bewahren. Es gab nicht den einen Fahrplan für die Eingliederung in die agn-Gruppe. Wir haben das gemeinsam verhandelt.

Und sonst?

EB: Natürlich haben sich auch die Projektgrößen geändert: Auftragsvolumen von 100 Millionen Euro sind für uns keine Seltenheit mehr. Das Risiko ist bei solchen Bauvorhaben entsprechend höher und man benötigt andere Sicherheiten.
Mit der Eingliederung in die Gruppe sind wir zudem auch in der Lage BIM-Projekte zu akquirieren und abzuwickeln. Ohne agn hätten wir diesen Sprung nicht geschafft, denn Forschung und Entwicklung sind kostspielig.


2010 wurden Sie beim Branchenverband „Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V.“ zur Leiterin der Regionalgruppe Münsterland gewählt. Was macht das Netzwerk für Sie so spannend?

EB: An sich bin ich keine Befürworterin von reinen Frauennetzwerken, doch dieses schätze ich wirklich sehr. Es ist sehr familiär und die Mitglieder pflegen einen tollen Umgang miteinander. Ein besonderes Highlight ist die Jahresmitgliederversammlung „Visionale“, die immer mit einem vielseitigen Rahmenprogramm aufwartet. Zur Feier des 20-jährigen Jubiläums treffen wir uns dieses Jahr im November in Frankfurt am Main.

Haben Sie den Eindruck, dass es einen führungswilligen weiblichen Nachwuchs in der Bau- und Immobilienbranche gibt?

EB: Aber sicher! Über das Netzwerk habe coole, toughe Frauen kennengelernt, die sich bereits in Führungspositionen behauptet haben oder auf bestem Wege dorthin sind. Ich habe dort auch viel Unterstützung erfahren. Im Gegenzug habe ich mich im vergangenen Jahr als Mentorin im Programm „Frauen an die Immo(bilien)spitze“ aufstellen lassen.

Das klingt spannend! Möchten Sie den jungen Kolleginnen einen Ratschlag mit auf den Weg geben?

EB: Pauschale Antworten sind immer schwierig, doch ich möchte an dieser Stelle gerne für mehr Selbstbewusstsein plädieren! Männer trauen sich im Schnitt mehr zu und sind daher risikobereiter. Das verschafft ihnen Vorteile. Trotz meiner Position und Erfahrung tappe auch ich manchmal in diese Falle. Deswegen sind Mentorenprogramme besonders für Frauen eine wirklich gute Sache. Manchmal braucht es einfach einen kleinen Stups in die richtige Richtung.

Beeinflusst diese Erfahrung Sie im Umgang mit den eigenen Mitarbeitern?

EB: Ich denke, ich habe mich im Umgang mit meinen Mitarbeitern schon immer als Mentorin gesehen. Viele Gespräche, die ich mit meinem Mentee führe, habe ich so oder so ähnlich auch schon mit einigen meiner Mitarbeiter geführt. Führen heißt für mich, die Mitarbeiter gezielt zu stärken.

Wie etabliert ist denn diese Form der Unterstützung in der agn-Gruppe?

EB: Die agn-Gruppe hat diese Aufgabenstellung für sich erkannt und bereits gehandelt. Über die agn akademie haben wir talentierte Kolleginnen für die Projektleitung stark gemacht. Der nächste Schritt ist nun ein agn-internes Mentoren-Programm.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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