17.07.2017

Fachklinik Bad Bentheim - Interview mit Klaus Kinast

Vor einigen Jahren beging die Fachklinik Bad Bentheim ihren 300. Geburtstag. Es gab viel Grund zum Feiern, denn das Klinikum steht gut da: 460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen 7.000 stationäre und 14.000 ambulant behandelte Reha-Patient:innen jährlich, mit steigender Tendenz.

Das war nicht immer so. Mitte der 90er-Jahre gingen die Belegzahlen rapide zurück, die Klinikleitung musste gegensteuern. Was folgte, war ein über zwei Jahrzehnte angelegter Modernisierungsprozess, den agn in weiten Teilen begleiten durfte.

Klaus Kinast, seit 1992 Geschäftsführer der gemeinnützigen Thermalsole- und Schwefelbad Bentheim GmbH, und Bernhard Busch, Geschäftsführender Gesellschafter der agn-Gruppe, im Gespräch darüber, welche Maßnahmen gemeinsam umgesetzt und welche Parameter dabei zugrunde gelegt wurden.

Seit 1996: Klaus Kinast, Geschäftsführer Fachklinik Bad Bentheim, und Bernhard Busch, Geschäftsführender Gesellschafter agn-Gruppe, arbeiten gemeinsam an der Entwicklung der Fachklink

Herr Kinast, die Fachklinik Bad Bentheim heute hat mit der, die Sie Anfang der 90er angetroffen haben, nicht mehr viel zu tun. Was ist aus Ihrer Sicht der signifikanteste Unterschied?

Klaus Kinast: Funktional betrachtet, dass wir heute nicht mehr nur einen Behandlungsschwerpunkt haben. Als ich anfing, war die Klinik eine spezialisierte dermatologische Fachklinik. Heute decken wir vier Bereiche ab, neben der Dermatologie die Orthopädie, die Rheumatologie und seit kurzem auch die Kardiologie. Das heißt, wir sind erheblich breiter aufgestellt. Das ist der eine Unterschied. Der andere Unterschied ist, dass wir uns komplett modernisiert und auch baulich verändert haben. Wir haben zwar eine 300-jährige Geschichte, können aber in punkto Behandlungsangebot und baulicher Substanz mit neu errichteten Rehabilitationskliniken problemlos mithalten.

 

Die Klinik war doch als dermatologische Fachklinik sehr gut etabliert. Was war der Grund dafür, das Behandlungsspektrum auszuweiten?

KK: Die Notwendigkeit dafür zeichnete sich ab, als infolge der Sparbeschlüsse der Bundesregierung im Gesundheitsbereich unsere Belegzahlen rapide zurückgingen. Das war 1996. Damals mussten wir schnell reagieren, da die Auslastung nur noch 70 Prozent betrug. Damit standen wir im Vergleich zu anderen Reha-Kliniken zwar noch vergleichsweise gut da, aber um rentabel zu sein, brauchten wir eine höhere Auslastung. Dafür mussten wir etwas tun.

Was war Ihre Strategie?

KK: Zum Glück hatten wir schon zu Beginn der 90er Jahre einige Betten für Orthopädie-Patienten bereitgestellt, als Komplementärangebot zur Dermatologie. Daran konnten wir anknüpfen. Bereits Ende der 90er hatten wir dann einen eigenen Orthopädie-Bereich mit 95 Betten, Top-Personal und schnell steigenden Belegzahlen. Damit haben wir den Turnaround hinbekommen.

 

Aber das war nicht alles …

KK: Nein. Ziel war, die Fachklinik möglichst breit aufzustellen und unser Angebot schrittweise zu erweitern. 1997/98 haben wir daher unsere aus den 70er Jahren stammende Therme komplett saniert und als „Bentheimer Mineraltherme“ neu eröffnet. Das war übrigens auch der erste Auftrag, den agn ausgeführt hat, sozusagen der Beginn unserer Zusammenarbeit.

Bernhard Busch: In der Tat – und es war ein sehr interessanter Auftrag, weil sich durch das modernisierte Hallenbad die Fachklinik stärker als Gesundheitszentrum mit einem breiten Wellness- und Fitnessangebot etablieren wollte. Die Thermalsole und das Schwefelbad sind ja das Herzstück der Anlage und der Grund, warum sich Bad Bentheim als Kurort überhaupt entwickelt hat. Mit der Therme sollte ein attraktives Zusatzangebot geschaffen werden, um auch Gäste aus der Region und natürlich Touristen anzulocken. Dass das funktioniert hat, kann man daran ersehen, dass heute bis zu 1.000 Gäste täglich das Bad besuchen.

 

Und wie ging es dann weiter?

KK: Wir haben dann – wiederum mit Unterstützung von agn – unser „Sonnenhaus“ saniert und auch vergrößert. 2002 wurde mit dem Bau eines neuen Trainings- und Therapiezentrums begonnen, 1.300 Quadratmeter mit direktem Anschluss an die Therme. Das hat uns nochmal einen deutlichen Schub gegeben.

 

Das klingt alles nach einem sehr systematischen Prozess …

BB: Das war es auch. Und die Zielstrebigkeit und die Konsequenz, mit der die Klinikleitung den Modernisierungsprozess vorangetrieben hat, hat mich sehr beeindruckt. Es stand ja nicht nur die Erweiterung des Behandlungsspektrums auf dem Programm. Ziel war die Aufwertung der räumlichen Situation insgesamt. Wir  uns viele Gedanken darüber gemacht, welche Architektur „passt“ und wie die Abläufe, die eine Reha-Klinik mit sich bringt, optimal umgesetzt werden können. Aber es ging immer auch um die Aufenthaltsqualität für die Patienten. Das heisst, Thema war nie nur die reine Funktionalität, sondern auch die Frage, welche Handschrift das neue Klinikum tragen soll. Wie kann es gelingen, eine Einrichtung zu schaffen, in der sich die Menschen gerne aufhalten und in der ihnen das Gefühl genommen wird, krank zu sein! Aus heutiger Sicht sind das Standardfragen. Vor zwanzig Jahren jedoch war das ein sehr innovativer und nachhaltiger Ansatz.

Wie hat sich dieser Ansatz niedergeschlagen?

BB: Es war immer klar, dass eine Fachklinik entstehen sollte, die die nächsten Jahrzehnte Bestand haben kann und in die sich weitere Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen nahtlos einfügen. Es war also wichtig, eine schlüssige und dauerhafte Verbindung zwischen Alt und Neu zu schaffen, funktional, architektonisch und ästhetisch. Das ist uns, denke ich, gelungen. Darüber hinaus spielten auch Faktoren wie Raumpsychologie, der Umgang mit Farben und Materialien sowie die Gestaltung der Außenräume eine große Rolle.

 

KK: Wer einen Blick auf den alten Eingangsbereich der Fachklinik wirft, sieht auf den ersten Blick, was sich hier getan hat. Wir haben hier ein Klinikareal mit einem ganz besonderen Charakter, weil sich alte und neue Bausubstanz homogen miteinander verbinden. Gleichzeitig ist der großzügige Charakter des Außenareals erhalten geblieben – ein Ort zum Wohlfühlen! Dass wir parallel in neueste Technik und professionelle Arbeitsbedingungen investiert haben, ist vor allem für unsere Mitarbeiter wichtig und unerlässlich für die weitere Entwicklung der Klinik.

 

Wie sieht die weitere Entwicklung aus? Gibt es hierfür schon Planungen?

KK: Ja, konkret in Planung ist ein weiteres Bettenhaus, aber es wird auch neue Behandlungs- und Freizeitangebote geben, die die Attraktivität der Anlage weiter erhöhen sollen. Auch die Ansiedlung weiterer niedergelassener Ärzte auf dem Areal als zusätzliches Angebot für unsere Patienten soll ausgebaut werden. Wir wollen neue Zielgruppen ansprechen und den Anteil stationärer Aufenthalte erhöhen durch Patienten, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und sich bewusst für die Fachklinik entscheiden oder Selbstzahler sind. Auch der Gedanke der Prävention wird in Zukunft eine größere Rolle spielen. Dem müssen wir natürlich gerecht werden.

Neuer Eingangsbereich | 2016

BB: Das ist schon sehr interessant, wie sich der Reha-Bereich in den letzten zwanzig Jahren verändert hat. Die Herangehensweise heute ist sehr viel ganzheitlicher als früher, das schlägt sich natürlich auch architektonisch und planerisch nieder. Ich bin auch sehr gespannt, wie sich das Thema Digitalisierung auswirken wird.

 

KK: Das ist richtig. Und auch da muss investiert werden. Im Grunde ist der Modernisierungsprozess in einer Einrichtung wie unserer nie abgeschlossen. Der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit liegt letzten Endes in der Kontinuität. Die Kliniken, die in den vergangenen Jahren nicht investiert haben, haben es jetzt schwer. Wir sind schrittweise vorgegangen und werden das auch in Zukunft tun. Das ist der richtige Weg.

 

BB: Dem kann ich nur beipflichten. Ohne Investitionen geht es nicht, das zeigt das Beispiel Fachklinik Bad Bentheim ganz klar. Das geht aktuell ja allen Reha-Einrichtungen so – die Konkurrenz schläft nicht. Der Wettbewerb und auch der Fachkräftemangel bringen die Einrichtungen in Zugzwang, mal ganz abgesehen von der Erwartungshaltung der Patienten, die sich permanent ändert. Die Aufgaben werden nicht weniger, aber mein Eindruck ist, die Fachklinik ist wirklich gut aufgestellt.

 

Herr Kinast, Herr Busch, ich bedanke mich für dasGespräch.

 

Das Gespräch führte Lucia Brauburger

(agenturprintundtv)

Ähnliche Projekte und Magazinthemen