12.07.2019

Bauherr und Projektmanager treffen sich zum Gespräch

Lange fanden die Schulungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen an verschiedenen Standorten im gesamten Stadtgebiet von Münster statt. Seit September 2017 ist das anders: Ein neues, zentrales Weiterbildungszentrum bietet Platz für optimale Lernbedingungen.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten nahm das ambitionierte Vorhaben einen optimalen Verlauf – nicht zuletzt dank Norbert Steinig, Standortleiter Westmünsterland und Leiter der Weiterbildung, der mit viel Engagement und der Unterstützung eines kompetenten Projektmanagements als Bauherrenvertreter wesentlich zum Erfolg der Maßnahme beitrug.

Norbert Steinig
IHK Nord Westfalen
Standortleiter Westmünsterland | Leiter der Weiterbildung

Herr Steinig, die IHK Nord Westfalen, mit 160.000 Mitgliedern eine der größten Industrie- und Handelskammern Deutschlands, hat in ein beeindruckendes Weiterbildungszentrum investiert. Was empfanden Sie bei dem Projekt als größte Herausforderung?

NS: Zum einen hatten wir uns das Ziel gesteckt, ein Lern-
umfeld zu schaffen, das optimale technische Voraussetzungen mit hoher Funktionalität und Aufenthaltsqualität verknüpft. Gleichwohl waren klare finanzielle Grenzen gesetzt. Etat und Anspruch miteinander in Einklang zu bringen, war somit die Hauptaufgabe.

Das Projekt hatte dann zunächst einen schwierigen Start …

NS: Das ist richtig. Die ersten Planungen lagen nach dem Wettbewerb weit über dem Budget, was schließlich eine Trennung von dem Generalplaner zur Folge hatte. Darauf-
hin haben wir das Projekt gemeinsam mit der Projektsteuerung komplett neu aufgestellt. Eine Wiederholung der Anfangsprobleme wollten wir unbedingt vermeiden.

 

Remus Grolle-Hüging
Geschäftsführender Gesellschafter agn-Gruppe
Vorstand im DVP

Herr Grolle-Hüging, welche Vorteile gehen mit einer Projektsteuerung einher?

RGH: Das übergeordnete Ziel ist, ein Projekt in angemessener Qualität, in der vorgesehenen Zeit und unter Einhaltung der Budgetvorgabe umzusetzen. In anderen Worten: Bauherren werden dahingehend beraten, wie ihre Projektziele tatsächlich auch realisiert werden können, und zwar sowohl in der Planungs-, als auch der Realisierungsphase.

 

Markus Lohaus
Abteilungsleiter agn projektmanagement
DVP-ZERT® Senior Projektmanager

Herr Lohaus, heißt das, Sie prüfen zum Beispiel, ob eine Planung überhaupt realistisch ist?

ML: Ja, viele Bauherren benötigen insbesondere am Anfang eine kritische Reflektion, ob ihr Projekt korrekt aufgestellt ist und der angedachte Bedarf für das vom Bauherren vorgegebene Budget überhaupt zu haben sind. Wenn dann der Projektsteurer nein sagt, ist das vielleicht nicht immer das, was der Bauherr hören will, aber es ist niemandem gedient, wenn ein ambitioniertes Bauvorhaben auf falschen Projektzielen aufbaut.

Der Projektsteuerer agiert also als Überbringer schlechter Nachrichten?

NS: So würde ich es nicht gerade bezeichnen. Als Bauherr ist man doch froh – nein, man ist sogar darauf angewiesen, ein realistisches Feedback zu bekommen und vor Fehlentscheidungen geschützt zu werden. Und im Idealfall geht mit der Aussage „Das geht so nicht!“ ja auch die Entwicklung von Alternativen einher. So zumindest habe ich die Zusammenarbeit mit Herrn Lohaus und Herrn Grolle-Hüging erlebt – immer ergebnis- und lösungs-
orientiert. Am Anfang des Projekts war das so, aber auch später während des gesamten Verlaufs.

ML: Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Aspekt! Ein Projekt zielgerichtet aufzustellen ist natürlich von großer Bedeutung. Die Praxis zeigt, dass unrealistische Zielfestlegungen in allen Handlungsbereichen zu erheblichen Störungen im Planungsprozess und Ausführungsprozess bis hin zum Scheitern des Projektes führen kann. Das muss vermieden werden. Eine Projektsteuerung ist jedoch auch im weiteren Projektverlauf wichtig, da ja auch in der Umsetzung ein kontinuierliches Schnittstellen- und Qualitätsmanagement gefragt ist. Ich kenne kein Bauprojekt, in dessen Rahmen es nicht zu irgendwelchen Problemen gekommen ist. Sei es, dass Dienstleister nicht fachgerecht arbeiten und ausgetauscht werden müssen oder sich Verzögerungen einstellen, weil irgendetwas Unerwartetes den Bauablauf stört. Eine gute Projektsteuerung zeichnet sich in jedem Fall dadurch aus, Störungen im Projekt rechtzeitig zu erkennen, umgehend mit den relevanten Projektbeteiligten praktikable Gegenmaßnahmen zu entwickeln und diese in eine Handlungsempfehlung gegenüber dem Bauherrn zu überführen.

Und das war auch bei diesem Projekt der Fall?

NS: In der Tat. Wir hatten Probleme mit dem Trockenbauer und mussten uns innerhalb kurzer Zeit entscheiden, wie es weitergehen sollte – der ganze Projektablauf war in Gefahr. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, in solch einer Situation ist man sehr froh, wenn man als Bauherr Ansprechpartner an der Seite hat, die einem helfen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen.

RGH: Das geht aber nur mit einem Bauherrn der auch „durchzieht“ wie es hier der Fall war. Projektsteuerung hat viel mit Krisenbewältigung und Risikomanagement zu tun, ist aber eigentlich darauf ausgerichtet, die Prozesse so zu steuern, dass Krisen im Idealfall gar nicht erst entstehen. Die Basis hierfür liefert gute Kommunikation. Sei es zwischen den Projektsteuerer und dem Bauherren oder mit den diversen Akteuren, die am Bau mitwirken. An diesem Projekt hier waren insgesamt 37 Gewerke beteiligt, Sie können sich vorstellen, wie viele Abstimmungen im gesamten Projektzeitraum angefallen sind. Herrn Steinig haben wir natürlich versucht, zu entlasten, aber er war immer noch sehr stark involviert.

Das heißt, Sie haben sich nicht entspannt zurückgelehnt und alles den Kollegen Lohaus und Grolle-Hüging überlassen?

NS: Oh nein (lacht)! Ich habe intensiv an dem gesamten Bauprozesses teilgenommen, war aber zum Glück nicht mir selber überlassen, sondern eingebettet in einen moderierten und vor allem klar definierten Prozess. Wissen Sie, ich musste in meine Rolle als Bauherr ja erst hineinwachsen! Für mich war wichtig, zu verstehen, an welchem Punkt sich das Projekt gerade befand, was im Plan war und was nicht und welche Entscheidungen anstanden. Ich habe viele Fragen gestellt, das können Sie mir glauben! Aber genau so habe ich meine Funktion definiert: Fragen stellen und Antworten bekommen. Auf der Basis habe ich dann meine Bauherrenaufgaben erfüllen können. Für mich war entscheidend, dass ich jemanden hatte, an den ich meine Fragen richten konnte. Ich denke, dass das einen großen Vorteil der Projektsteuerung bildet – um Entscheidungen fällen zu können, möchte ich nicht einhundert Beteiligte ansprechen müssen, sondern ich weiß genau, an wen ich mich wenden kann. Das ist ein großer Vorteil!

Gutes Ergebnis trotz schwierigem Start – dank Krisen- und Qualitätsmanagement der agn konnte das Projekt in der vereinbarten Qualität sowie unter Einhaltung der Zeit- und Budgetvorgabe umgesetzt werden

Ist Projektsteuerung somit vor allem eine Kommunikationsaufgabe?

ML: Ja, das ist richtig: Bauen wird immer komplizierter, die Anzahl der Beteiligten wächst, und je nachdem, welche Anforderungen zu erfüllen sind, müssen auch immer mehr Spezialisten hinzugezogen werden. Dadurch entstehen automatisch mehr Schnittstellen, die zu Abstimmungsproblemen führen können. Kommunikation ist also ungemein wichtig. Da haben wir auch noch etwas von unserem Bauherrn mitnehmen können, der immer zunächst das Gespräch gesucht hat. Unserem Verständnis nach übernimmt der Projektsteuerer jedoch nicht nur Koordinations- und Kommunikationsaufgaben, sondern bringt auch ein eigenes Qualitätsmanagement mit ein.

Was meinen Sie damit?

RGH: Im Rahmen dieses Projekts zum Beispiel haben wir diverse Workshops durchgeführt, in die sich Kollegen von uns, zum Beispiel Fachingenieure aus dem Bereich der Technischen Ausstattung, mit ihrem Know-How zu ganz bestimmten Fragestellungen eingebracht haben. Das überschritt zwar den Rahmen der klassischen Projektsteuerung, war aus unserer Sicht aber sinnvoll, um zu gewährleisten, dass die Zielsetzung des Bauherren auch erreicht wird. Bei einem Bildungsprojekt wie diesem ist das Thema Lüftung ein gutes Beispiel. Hier sollen ja niemandem nach 20 Minuten die Augen zufallen.

NS: Richtig. Und das Projekt hat sehr davon profitiert. Diese Möglichkeit, auf geballte agn-Kompetenz zurückgreifen zu können, war für uns übrigens einer der Punkte, warum wir den Auftrag an agn vergeben haben. Wir wussten, dass wir weit mehr erwarten durften, als die klassische Projektsteuerung und so war es dann ja auch.

Herr Steinig, das Gebäude ist nun eineinhalb Jahre in Betrieb, wie ist die Resonanz?

NS: Die Resonanz ist durchgehend positiv. Unser Wunsch, ein Gebäude zu bekommen, in dem sich die Menschen gerne aufhalten und ein optimales Lernumfeld vorfinden, hat sich erfüllt. Aber auch unsere konzeptionellen Vorüberlegungen haben sich gelohnt. Es war uns zum Beispiel wichtig, eine gewisse Multifunktionalität zu gewährleisten und durch das optionale Zusammenlegen einzelner Räume bei Bedarf einen großen Veranstaltungsraum zu schaffen. Wir können hier also nicht nur Top-Bedingungen für Weiterbildungen anbieten, sondern auch Veranstaltungen durchführen. Das ist ein echter Mehrwert, der auch dem Gedanken der Wirtschaftlichkeit Rechnung trägt.

Mehr als nur Glas und Steine – viele Fachleute verschiedener Disziplinen haben in einem gut strukturierten Prozess ihr Know-How eingebracht und damit dem Bauvorhaben zum Erfolg verholfen

Und wie lautet Ihr persönliches Résumé?

NS: Ganz klar: Ich habe unglaublich viel gelernt. Mir war nicht bewusst, wie wichtig und facettenreich die Rolle des Bauherren im gesamten, fortlaufenden Prozess eines Bauprojekts ist. Ich glaube, dies wird gemeinhin doch gewaltig unterschätzt. Da ist ein sachliches Korrektiv sehr wichtig. Genauso wichtig ist es, zu wissen, wann überhaupt Entscheidungen anstehen, beziehungsweise nötig sind. In gewisser Hinsicht ist Projektsteuerung auch ein Entscheidungsmanagement. Es war gut, hier auf strukturierte Prozesse aufbauen zu können, zumal wir aus den Reihen unserer Mitglieder ja extra einen Bauausschuss gebildet haben, den wir in diverse Schritte explizit miteinbezogen haben. Auch aus partizipatorischen Gesichtspunkten ist der Ansatz der Projetsteuerung sehr sinnvoll.

Was einen guten Projektsteuerer ausmacht, wissen wir nun, was macht Ihrer Meinung einen guten Bauherren aus?

ML: Ein Projektsteuerer kann dann am besten seine Arbeit machen, wenn auf Bauherrenseite Verständnis für die Zusammenhänge besteht und eine echte Zusammenarbeit entstehen kann. Vertrauen spielt dabei die größte Rolle. Wenn das Ergebnis der Zusammenarbeit dann diesem Vertrauen gerecht wird, ist das natürlich das Beste, was passieren kann. Mit Herrn Steinig war das so.
RGH: Ich sehe das auch so. Die Projektsteuerung ist ein Instrument, das den Prozess des Bauens professionalisiert. Wie effektiv dieses Instrument eingesetzt werden kann, hängt aber wie immer wesentlich vom projektleitenden Bauherrn ab. Die Zusammenarbeit mit Herrn Steinig ist ein gutes Beispiel dafür, was möglich ist und wie es sein sollte. Wir haben zusammen an einem Strang gezogen. Und wenn wir mal nicht einer Meinung waren, haben wir das immer schnell unter uns geklärt.

Herr Steinig, Sie haben das letzte Wort

NS: Ich kann nur sagen: Die Entscheidung, eine Projektsteuerung zu beauftragen, war der richtige Weg. Ohne diese Art von Begleitung hätten wir unsere Projektziele nicht erreicht. Für Bauherren, die keine einschlägigen Erfahrungen aufweisen, so wie das bei mir der Fall war, gibt es meiner Meinung nach keine Alternative. Als Bauherr hat man ja auch eine Verpflichtung – ich zum Beispiel hatte sie unseren Mitgliedern gegenüber. Ich freue mich, dass ich dieser Verpflichtung gerecht werden konnte. Für mich war das Ganze eine Erfahrung, auf die ich gerne zurückblicke.

Das Interview führte Lucia Brauburger
(agenturprintundtv)

Gemeinsam Großes bewirken: Gute Kommunikation und Koordination waren der Schlüssel für den optimalen Verlauf des ambitionierten Projektes

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